was ich aus drei Gründen vermute. Einmal hatte
ich bei dem Lernen dieser fremdartigen Wörter immer
mit dem Schlaf zu kämpfen; nun aber verfalle ich
in diesen Zustand rettungslos, wenn ich mein Mittag—
essen drunten habe; folglich muß auch der klassische
Unterricht am frühen Nachmittag begonnen haben.
Zum zweiten lag hinter mir auf dem die Wand ent—
lang stehenden eichenen Sofa mit den silbernen
Polsterknöpfen mein Vater, das blaue Sacktuch über
dem Gesicht, was er immer tat, um leichter einschlafen
zu können oder von den Fliegen nicht gestört zu
werden; dies tat er aber eben auch täglich nach dem
Essen. Drittens las er, wenn er nicht schlief, auf
dem Sofa seinen „Korrespondenten von und für
Deutschland“, und wenn die Lehre von der Ver—
erbung richtig ist, so muß dies ebenfalls nach Tisch
gewesen sein; denn sein Sohn sucht auch, zwar nicht
mehr über dem Korrespondenten, aber über der
„Augsburger Abendzeitung“ die zur Verdauung
nötige Blutfülle dem Gehirn zu entziehen und sich
so sein Viertelstündchen Mittagsschlaf zu verschaffen.
Uebrigens bewahrte mein guter Vater in dem
Unterricht vom eigenen Fleisch und Blut mehr Ruhe
als sein Sohn, obwohl mich gerade diese seine Tugend,
von der nicht eben viel auf mich gekommen ist, nicht
selten in Verzweiflung setzte. Hatte ich nämlich so
in heißer Sommerszeit im erschöpfenden Kampf mit
dem Schlaf und aufmerksamer Verfolgung dessen,
was auf der Straße vorging, meine Wörter ein—
gelernt, dann drehte ich mich auf meiner Subsellie
und unterbrach — unbarmherzig, aber wahr — Lek—
türe oder den Uebergang derselben zum Schlaf bei
meinem Vater, indem ich ihm das blaue Wörterbüch—
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