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zugekehrt und etwas zu suchen schien in den hüpfenden
Wellen. Anfangs schien es ihm ein Traum, doch
erhob er sich, sich ihr leise nähernd und sah, wie sie
eine Blume pflückte und die Blätter des Blumensternes
auspflückte mit den Worten: „Treulieb bin Dein eigen,
Blümlein sollt nicht schweigen, ob er liebt mich, von
Herzen.“ „In Schmerzen“, rief der Jüngling, auf
sie zustürzend, um sie zu umarmen. Der Jungfrau
entsank die Blume, hohes Roth überflog ihr Antlitz,
stumm sank sie an seine Brust; doch verkündete ihm
ihr schönblaues Auge sein Glück, als er ihr den ersten
Weihekuß der Liebe auf die frischen Rosenlippen drückte
und sie sein theures Herzlieb nannte. Eine Thräne
aus tiefstem Herzen stahl sich in das Auge der Jung—
frau, mit dem sie, mild lächelnd, in höchster Wonne
zu ihm hinaufblickte. „Ich glaubte, Du hättest mir
gezürnt,“ flüsterte sie, als ein zweiter Kuß des Jünglings
sie aus ihrem stillen Entzücken erweckte. „Dir zürnen,
Margarethe? Wüßtest Du, was ich gelitten, seit ich
Dich nicht sehen durfte.“ — „Vater zürnt nicht mehr,“
sagte Margarethe, sich an den Jüngling schmiegend,
„komm' nur zu uns.“
Gerla wollte etwas erwidern, da rief des alten
Vischers Stimme laut: „Heida, das ist gewiß Sitte
des Welschlandes, Geselle! Margarethe, hieher!“
Die beiden Liebenden fuhren bei dem ersten Tone
auseinander; über und über mit glühendem Schamroth
bedeckt, schlug die Jungfrau die Augen zur Erde, und
wankte neben Gerla, der frisch nach der steinernen
Treppe schritt, die aus der Klause führte, und an die
gelehnt Meister Vischer mit ernstem, doch nicht zürnendem
Antlitz stand. Als der Jüngling mit der Jungfrau