Volltext: Vermahnung zu waarer Reu und Buß/ samt Andächtigen Gebeten/ Wie solche/ bey gegenwärtiger Türcken- und anderer grossen Gefahr/ jedes-mal in denen ordentlichen Sonntäglichen Fest- und Wochen-Predigten/ Betstunden und Vespern/ in der Stadt Nürnberg/ und dero Gebiet/ gehalten werden sollen

sophie mit einem Scepter und Büchern in den Händen auf einem 
Throne sitzen, umgeben von den Bildern berühmter Philosophen. 
Selbst die geschmacklose, aus Boö&thius „Trost der Philosophie“ 
stammende Allegorie der Leiter ist dem Künstler nicht erspart 
geblieben, die von dem griechischen Buchstaben „Phi‘“ zu Füssen 
der Königin auf den sieben Sprossen der freien Künste hinaufge- 
leitet zum Buchstaben ‚„Theta‘“ auf dem Leib der Philosophie, 
d. h. von der praktischen zur theoretischen Philosophie. Dürer 
hat hier wenigstens noch so viel künstlerischen Takt anzuwenden 
vermocht, dass er die Sprossen verwandelte in die griechischen 
Anfangsbuchstaben der betreffenden Künste, während der mittel- 
alterliche Künstler gern die Frau Philosophie sich mit einer leib- 
haftigen Leiter herumschleppen liess.*! Auch der Verfertiger des 
Titelbildes der Margaritha philosophica vom Jahre 1504 hat sich 
nicht entblödet, eine tüchtige Leiter auf den Leib der armen drei- 
köpfigen Herrin einzuzeichnen. (Siehe oben Abb. S. 58.) Aber mit 
der in sich zusamımnengesunkenen, trübsinnig in’s Leere starrenden 
geflügelten Frauengestalt der Melancholie hat diese Darstellung 
nichts zu schaffen. 
Also wer ist jene Frau? Sehr einfach: die Melan- 
cholie, die Schwermut, der Weltschmerz, ganz in 
unserm modernen Sinne. Der Gelehrte, der zuerst den 
unglückseligen Gedanken aufgebracht hat, hier könne nur der 
Begriff des melancholischen Temperaments gemeint sein, weil man 
zu Dürers Zeit den modernen Begriff der Melancholie noch nicht 
gekannt habe, der hat wahrhaftig die Verantwortung für einen 
Ozean schuldlos vergossener Tinte und Druckerschwärze auf dem 
Gewissen! 
Ein Blick in Grimm’s deutsches Wörterbuch kann jeden 
überzeugen, dass der Begriff Melancholie vom Ausgang des Mittel- 
alters an in dreifachem Sinne gebraucht wird: für das Tempera- 
ment, für einen körperlichen krankhaften Zustand und für die 
seelische Schwermut. Wer Dürers Frauengestalt unbefangen be- 
trachtet. muss sich sagen, dass hier nur von diesem dritten Sinne, 
1 Z. B. Sculptur an der Kathedrale von Sens und Laon oder 
Miniatur des ırzı. Jahrhunderts in Cod. 14066 der Münchener Biblio- 
thek.
	        
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