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Allgemeine Stille trat ein. Man sah auf den
Polizeidirekter. An ihm war's doch, zu reden.
Auch Feldmann stand in halber Wendung gegen
ihn — aber der Gast saß, die Arme auf der Brust
gekreuzt, und schien nicht daran zu denken, das
Wort zu ergreifen.
Da meldete sich der Marktvorsteher Siebentritt
zum Wort. Er war ein kleiner, hagerer Mann,
mit stark gebogener Nase und breiten Lippen. Seine
Augen waren klein, sie fuhren unruhig hin und her.
„Ich gestatte mir an den anwesenden Ver—⸗
treter der bayrischen Regierung die Anfrage: Was
gedenkt der Herr Polizeidirektor Herbst zu tun, um
die Interessen der betroffenen Bevölkerung der Stadt
und des Landes zu wahren? Ich denke doch
— und ich nehme an, wir alle denken so — daß es
vor allem die Pflicht der Regierung ist, die Armut
und die drohende Not zu lindern. Erst in zweiter
Linie dürfte dann die Frage für unseren Verein
von Wichtigkeit sein; und schließlich erst wird die
Privatwohltätigkeit herangezogen werden müssen.“
Die Versammlung stimmte eifrigst zu.
Schödler, der bis jetzt nur mit verkniffener
Miene dagesessen war, sprang auf und rief: „Ja,
nun soll einmal die Regierung zeigen, was unser
Nürnberg ihr wert ist.“
Und: „Zu was sind wir denn bahyrisch ge—
morden?“ rief eine andere Stimme.
„Der Herr Polizeidirektor soll reden!“
„Ja, ja, wir sind keine freie Reichsstadt mehr!“
„Wir haben's nicht vötig —“
Da stand mit ruhiger Würde der Polizeidirektor
auf, er löste langsam die gekreuzten Arme, verbeugte