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Liedern sei schließlich das am 31. December 1554 in Form eines Rück—
blickes auf das bisherige Leben verfaßte Lied erwähnt, das betitelt ist:
„Zahl und Summe meiner Gedicht auf diese Zeit.“ In einem Traume
erscheinen dem Dichter, der vor kurzem sein 60. Jahr vollendet hat und
nicht mehr die volle Kraft zum poetischen Schaffen in sich fühlt, die
neun Musen. Diese gehen aber auf seine Bitte, ihn aller seiner Pflichten
zu entbinden (siehe S. 14 f.), nicht ein, sondern erklären, er möge
im Vertrauen auf die von ihnen erhaltenen güldenen Lehren auch fürder⸗
hin ausharren.
Von den Meisterliedern lehrhaften Inhaltes seien besonders jene
hervorgehoben, welche sich auf den Meistergesang selbst beziehen. In
einem derselben „Eine schöne Schulkunst, was ein Singer soll singen“
(Gom 13. Mai 1515) lehrt er, der Singer solle bei der Wahl seiner
Lieder auf Stand und Beruf der Hörer Rücksicht nehmen. In einem
anderen Liede aus demselben Jahre „Eine Schulkunst“ führt er uns
unter dem Bilde eines von 12 Männern — unter denen wir Hans
Folz „den durchlauchtigen deutschen Poeten“ und Lienhardt Nunnenbeck
finden — gepflegten Gartens die Nürnberger Singschule vor. Wir ent⸗
nehmen diesem Liede, daß die Schule bei der Heimkehr des Dichters arg
darniederlag: Neid, Zwietracht untergruben ihr Ansehen. Wie wohlgemeint
klingt Sachsens Mahnung, von welcher trefflichen Gesinnung des jungen
Mannes zeigt sie: „Wer von Gott die Gnad' zu dichten hat, der bleib'
demüthig und treib' keinen Stolz, theil' seine Kunst aus und rühme sich
nicht sehr; die Kunst wird selber ihren Meister loben!“
— In dem Liede „Dichter und Singer“ vergleicht Sachs den Dichter
mit einer kühlen, nie versiegenden Quelle, den Singer mit einer Wasser—
höhlez die bei großer Sonnenhitze eintrocknet oder übelriechend wird. Dem
Dichter gebührt die goldene Krone, dem Singer ein grüner Kranz. Mit
dem Singer stirbt die Kunst, des Dichters Werke leben nach seinem Tode
fort. — Auch an polemischen Liedern fehlt es nicht. So wendet sich
Sachs in „Antwort auf alle Strafer“ gegen jene Zunftgenossen, die an
den Meistergesängen eine übelwollende Kritik zu üben pflegten, die nur
zu schmähen wußten.
Wenn wir die in den Meisterliedern enthaltene Moral näher ins
Auge fassen, so finden wir, daß die verschiedensten Seiten des menschlichen
Lebens, Fühlens und Denkens berührt —* Sachs bekämpft die Gott⸗
losigkeit seiner Mitmenschen, belehrt sie, wiesthöricht es sei, wenn sie nur
dem Genusse leben und ihrer höheren Bestimmung, die ihnen, den Eben—
bildern Gottes, vorgezeichnet ist, ganz vergessen. Er mahnt sie zur Er⸗
gebung in den Willen Gottes. „Wer sich aufbäumet Gott zuwider, den
kann er plötzlich stürzen nieder.“ („Der Gottlosen Anschläge“.) „Gott
die Untreu' endlich straft mit Schaden und mit Schand“ lesen wir in
dem Liede „Das Gold im Stabe des Cydias“. Wie segensreich die
Güte wirkt, finden wir in „Der fromme König Philippus“: „Also wird