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Heimliche Siebe.
Von A. Liebel Monninger.
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In der traulichen Walpurgiskapelle, welche die östliche Freiung
DZoWder Burg krönt, war Gottesdienst gewesen. Eben ver—
kündeten eherne Schläge vom St. Sebaldusturm die neunte
Morgenstunde, als sich eine Schaar Andächtiger aus dem weit—
geöffneten Portal drängte und mit hastigen Schritten den Berg
hinab der Stadt zustrebte.
Nur ein Mägdelein, frisch wie ein eben aufgeblühtes
Röslein, mit einem gar herzlieben Gesichtchen, braunen Söpfen
und eben solchen Augen zsgerte sichtlich, die Kapelle zu verlassen
— es blieb hinter Allen zurück. Und als es sich schließlich allein
an der Thüre befand, schlug es dieselbe rasch zu und kehrte in
das Innere der Rirche zurück.
Auf den Stufen des Hauptaltares kniete die Jungfrau
nieder, hob den Blick mit inbrünstigem Flehen zu dem Bild des
gekreuzigten Jesu und begann zu beten. Und dabei rann Tropfen
um Tropfen über die rosigen Wangen herab und beftiges
Schluchzen erschütterte die zarte Gestalt.
Ein schwerer Herzenskummer verursachte Käthchens Thränen.
Sie war armer Leute Kind; ihr Vater gehörte der Zunft der
Steinmetze an. Sie bewohnten ein kleines Häuschen am Ende
der Hirschelgasse — ein Hüttchen vielmehr, welches an der
Seitenwand eines stolzen Patrizierhauses angeklebt schien, wie