2
Seicht und unwissend. Er gab mir die Erlaubnis, sie zurück
zuschicken. Ich warf sogleich eine lange Widerlegung mit
meinen Desideriis nieder und erwarte nun den Erfolg. O Hım
mel! Für solche Menschen rede ich, für ein solches Publikum
habe ich die edelsten Kräfte meines Lebens verschwendet!
Nein; ich will nicht mehr der Fichtianer spotten, dass sie sich
für besser halten, als ihre seichten Gegner, dass sie mit Arro-
ganz Widerlegung oder Unterwerfung fordern. Nun fühle ich,
was es heisst, lebendig und kräftig Wahrheit denken und sagen,
und nicht verstanden zu werden!“
Dieses Urteil ist ohne Zweifel in jeder Beziehung zu hart.
Unmoralische Motive, wie Herrschsucht und Eigennutz dürfen
wir Fichte wohl kaum zutrauen. Wir müssen ja zugeben, dass
alles, was Feuerbach sagt, auf Eigenschaften basiert, die auch
wir an Fichte wahrzunehmen glauben: So eine an Härte
grenzende Charakterstärke, eine gewisse Unbeugsamkeit des
Willens, vielleicht auch einen an Fanatismus grenzenden Eifer
im Eintreten für seine Lehre. Aber wir dürfen nicht vergessen,
dass fast in jeder wahrhaft grossen Natur sich derartige Züge
finden. Denn der grosse Geist ist eben deshalb gross, weil
er besser und richtiger erkennt, als die Mehrzahl der ihn um-
gebenden Zeitgenossen, was die Zeit erfordert. Sein Blick ist
eben geschärfter dafür. Und unwillkürlich gesellt sich dann
oft zu diesem Erkennen der Drang, die Konsequenzen aus
seinem Wissen zu ziehen. Beseelt dann ein solches Genie der
Wunsch, seine Dienste dem Vorteile einer grösseren oder
kleineren Gemeinschaft zu widmen, und findet er dabei aus
Mangel an Einsicht, aus Torheit derjenigen, denen er nützen
will, Widerstand, so ist es kaum zu verwundern, wenn ein solcher
Grosser auch versucht, mit Zwang durchzusetzen, was er als
notwendig erachtet, um zu dem Ziele zu gelangen.
Dass Fichte zu diesen Naturen gehörte, dürfte nicht
ausgeschlossen gelten, denn er hat seinen Wirkungskreis nicht
allein auf die Lehrtätigkeit ım Hörsaale beschränkt, sondern
er ist jedesmal, wenn die Gelegenheit und die Umstände es
erforderten, ın den Dienst der Allgemeinheit getreten und hat
dabei bekundet, dass auch in ihm dieses Streben vorhanden war.
Jedenfalls aber. wollte er die Menschheit glücklich machen.
Und bedeutet Feuerbachs Wort, dass Fichte auch Mahomed