fullscreen: Adam Krafft und die Künstler seiner Zeit

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leidet wieder an dem Mangel freier Belebung. Die Haltung der 
nach einer Richtung sich wendenden Köpfe kann auch keineswegs glück⸗ 
lich genannt werden. Dafür aber ist die Empfindung fein und zart. 
Ohne Zweifel ist die figurenreiche Beweinnng zu Maidbrunn) ge— 
schmackvoller zusammengestellt, doch sind auch hier die vielen Figuren 
zu einer einheitlichen Komposition nicht vereinigt, was Krafft so schön 
gelang. In schöner Weise spricht Anmut aus dem Relief, und man 
kann den Enthusiasmus König Ludwigs, als er es zum ersten Male 
sah, wohl begreifen. Allein so zu Herzen, wie die Klage der Frauen 
bei Krafft, geht es doch nicht. An dessen Werk wird man auch 
manigfach erinnert. In den klagenden Frauen kann man gleichsam 
einen Abglanz von denen der dritten Station sehen, und der Mann 
im Hintergrunde neigt sich ähnlich wie bei Krafft zu der vor ihm 
stehenden Gestalt. Sicherlich hat Tilmann die Stationen in Nürnberg 
gesehen und wie Dürer ihre Wirkung erfahren. Er ringt sich hier zu 
einer rundlichen einfachen Faltengebung in großen Flächen durch, die 
dicken Stoffen eigen ist. Die schönstempfundene Pietà ist aber das 
kleine Hochrelief in der Würzburger Universität. Die seelische Em— 
ofindung der drei Figuren ist so gut gelungen, daß man über die etwas 
zezwungene Haltung hinwegsieht. Man kann sie zu den schönsten 
Darstellungen dieses Vorganges in der deutschen Kunst zählen. 
Auch der schöne „Englische Gruß“ von Veit Stoß in der Lorenz— 
kirche scheint auf unsern Meister eingewirkt zu haben. Wer betrachtet 
nicht seine anmutige Madonna im Rosenkranze vom Jahre 1521 in 
der Wallfahrtskapelle bei Volkach?), ohne an das Meisterstück des Veit 
Stoß zu denken! Trotzdem ist die Madonna eine selbständige Schöpfung. 
Sie zeigt am besten, daß Tilmann ein Künstler der Spätgotik ist. 
Wenn die heilige Barbara im Nationalmuseum in München, die 
mir nur nach der Photographie bekannt ist, von Riemenscheider her— 
cührt, so muß man in der That staunen, daß der Künstler solche geistige 
Vertiefung in das prächtige, lebensvolle Gesicht hineinlegen konnte. 
Barbara ist bei scheinbarer Ruhe doch innerlich bewegt. Eben hat 
sie im Buche gelesen, da schaut sie auf und denkt darüber nach, was 
sie gelesen hat. In diesen Augen liegt ein tiefes Sinnen, sie sagen 
uns, was ihr frommes und gläubiges Herz im Innersten beschäftigt. 
Man vergißt diese Augen in dem reizenden Antlitze nicht. 
9 Erst 1627 in der Kirche aufgestellt. 
) Auf dem Wege zur Wallfahrtskapelle befanden sich 7 in Stein gemeißelte 
Stationen; 3 von ihnen sollen noch erhalten sein.
	        
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