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vorgeführt worden, seit Göthe in seinem Götz von Berlichin—
gen hiemit den Anfang gemacht hat, und es ist immer am
Platze, die irrigen Ansichten über diesen Gegenstand, wo es
nur thunlich ist, möglichst zu berichtigen. Düstre Wälder,
schauerliche Schluchten, unterirdische Gewölbe, geheimnißvolle
Ladungen in gewitterschweren Nächten, verhüllte Richter und
verbundne Augen, das waren die Ingredienzien zu dem Zau—
bertranke, in dem sich die Phantasie des Lesers berauschte.
Von all diesen Dingen aber findet sich in der Wirklichkeit
keine Spur.
Die oberste Gerichtsbarkeit lag in den frühesten Zeiten
einzig und allein in den Händen des Königs, und dieser
ließ sie durch eigends bestellte Richter (Grafen) in seinem
Namen verwalten und ausüben; wahrscheinlich sind die
ersten Burggrafen Nürnbergs ähnliche königliche Beamte ge—
wesen. Ueber diese Gerichtsbezirke, zuerst Reichsvogteien,
später Landgerichte genannt, konnte nun ein Richter bestellt
sein, der selbst keinen Landesbesitz hatte, und es mußte dem
eigentlichen Landesherrn äusserst unbequem erscheinen, in seinem
Territorium einen andern als Richter neben sich dulden zu
müssen. So war es ja ein Hauptpunkt in den Streitig—
keiten der Stadt Nürnberg mit dem Markgrafen Albrecht
gewesen, daß dieser behauptete, die Nürnberger hätten nur
innerhalb ihrer Stadtmauer zu richten, das Landgericht,
auch in den von der Stadt seinen Vorfahren abgekauften
Gebietstheilen, stünde ihm allein zu. Die Landesfürsten
waren daher eifrigst bemüht, diese Landgerichte in ihre Hände
zu bringen, und es mußte hiedurch, als es gelungen war,
in natürlicher Folge die Unabhängigkeit derselben von dem
Reichsoberhaupte immer stärker hervortreten. Nur in der
Provinz Westphalen hatten sich, durch besondere Umstände
begünstigt, die alten Einrichtungen noch erhalten, dort wur—
den die Richterstühle in der Art besetzt, daß der Landesherr,
der Erzbischof von Köln, dem als geistlicher Fürst der Blut—