Volltext: Johann Tobias Kiessling und einige seiner Freunde nach ihrem Leben und Wirken

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Thränen nicht verbergen Fonnte, die dann, bei einzelnen Stellen 
feiner tief eindringenden Predigten, häufig über die bleichen 
Wangen Herunterrannen. Er wird aufmerffam auf Ddiefe Leis 
dende, denn er bemerkt wohl, daß ihre Noth Feine gewöhnliche 
Außerliche, Leichter zu lindernde fein Fönne, fondern eine tiefer 
fiegende innere, weil, fo oft er ein Wort fpricht, das auf diefe 
Art von Leiden hindeutet oder einen Troft für folche in fich 
faffet, ihre Nührung ganz unverkennbar größer wird. 
Da erzählt er feinem Freunde Kießling von der [eidenz 
den Frau und erfucht denfelben, die Urfache ihrer Thränen 
genauer zu erforfhen. Kießling wird nun auch auf fie aufs 
merffam, und an dem einen Sonntags = Nachmittag, da die 
Frau nach ihrer Weife auch wieder bis zuleßt geblieben war, 
um erft alle Anderen aus der Kirche fortgehen zu laffen , damit 
fie dann einfam und ungeftört ihren Weg hinaus vor die Stadt 
nach ihrer Wohnung gehen Fönne, folgt ihr der felige Tobias 
nach. Er fragt fie, ob fie auch in der Kirche gewefen fei und 
ob fie den Vrediger wohl verftanden hHabez und da fie auf beides 
mit einem Furzen Sa geantwortet, fragt ev fie weiter: ob fie 
wohl auch fchon folche Leidensftunden gehabt habe als die, von 
denen Heute der Prediger gefprochen? Da fieht die Trauernde 
dem, der fie auf foldje Weife fragt, in die Augen, und diefen 
ernffen, freundlichen Augen fieht fie e& gar bald an, daß dies 
Keiner ift, Der ihrer Seelenangft fpotten werde, oder Der fie 
gar nicht verflünde, wie dies gewöhnlich bei Anderen der Fall 
gewefen, denen fie bis dahin Ihr Leiden geklagt. Sie antwortet 
daher fchon mit größerem Zutrauen; „ja wohl.“ Da aber nun 
vollends der Selige fie mit der innigften Zheilnahme zum Auss 
harren in ihrem fchweren Leiden ermuntert, und zum freuen, 
Findlich zutraulihen Gebet im ftillen Kämmerlein, denn Soft 
habe bei diefen Leiden gar etwas Sutes mit ihr vor; da fangen 
ihre Thränen häufig an zu fließenz Herz und Mund gehen auf 
gegen diefen feuern Mann, der eine Sprache mit ihrem Herzen 
redet, wie fie nur Einer reden Fann, der Seelennoth an fich 
felbft erfahren und Deshalb Erbarmen hat mit Solchen, welche
	        
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