Vonwont.
Unter den vielen Vermutungen über die Persönlichkeit
Kaspar Hausers haben sich zwei ganz besonders bis in die
neueste Zeit behauptet und in gleichem Maße Anhänger wie
Gegner gefunden. Nach der einen war Hauser der am
29. September 1812 geborene und am 16. Oktober desselben
Jahres für tot ausgegebene Erbprinz von Baden, nach der
anderen ein Betrüger, der es verstand, mehrere Jahre hin⸗
durch das Interesse des gesammten Europas auf sich zu lenken.
So romanhaft die eine, so prosaisch ist die andre.
Die vielen andren Mutmaßungen sind niemals mit
derselben Energie verfochten worden und haben meist weder
viel Wahrscheinliches noch nach historischer oder psychologischer
Seite hin viel Interessantes. Es sind gewissermaßen Mittel—
wege, die den Verfechtern jener beiden Extreme wenig zusagen.
Die vielfach geäußerte Ansicht, Kaspar Hauser sei der un—
eheliche Sohn eines höheren katholischen Geistlichen und
einer Dame aus den besseren Ständen gewesen, zu der u. a.
auch Lewin Schücking in seinen „Lebenserinnerungen“ neigt,
hat wenig für sich. Daß nicht alle katholischen Geistlichen
in Bezug auf das sechste Gebot Heilige sind, ist eine all—
bekannte Thatsache. Die Geburt eines Domherrnsohnes ist