Zehntes Rapitel.
Die Geschlechter in NRürnberg.
Die Nürnberger Perfassung.
In einer entstehenden Gemeinde werden immer jene Männer,
welche durch Besitz, Verstand und Thatkraft unter ihren Orts⸗
Jenossen hervorragen, auch ohne daß sie danach trachten, mit der
Führung der gemeinsamen Angelegenheiten betraut werden. Noch
‚evor eine Verfassung sich gestaltet hat, sind sie bei Streitigkeiten die
herufenen Schiedsrichter, bei feindlicher Bedrohung die Anführer, in
den Beziehungen zu anderen Gemeinden u. s. w. die Sprecher und
Vertreter der heranwachsenden Gemeinde. Bleiben die Söhne nicht
allzuweit hinter den Verdiensten der Väter zurück, so vererben sich
hnen Vertrauen und Ansehen; durch neu bewiesene Tüchtigkeit haftet
dieses Ansehen dauernd an dem Geschlecht und in nicht langer Zeit
ist ein Kreis von Familien vorhanden, deren Häupter es als ihr
jergebrachtes Recht ansehen, an der Spitze ihrer Gemeinde zu stehen.
Mil der weiteren Entwicklung der Stadt und ihrer Verfassung kommt
es dann endlich dazu, daß jene herkömmlichen Ehrenrechte zur erb⸗
lichen und ausschließlichen Berechtigung werden. Auf diese Weise
bildete sich in den deutschen reichsunmittelbaren Städten die Ge—
chlechterschaft oder das Patriziat.
Die nürnbergischen Geschlechter setzten sich zusammen aus
caiserlichen Dienstmannen (den Pfalz-Ministerialen), welche in der
Stadt ihr Fortkommen suchten und aus altangesessenen, durch Besitz
und Tüchtigkeit hervorragenden Bürgern der Stadt, zu welchen sich
dann noch Glieder des landsässigen Adels gesellten, welche ihren
Aufenthali in der Stadt nahmen. Diesen war die Aufnahme in die
Bürgerschaft sehr leicht gemacht, denn zur Erwerbung des Bürger⸗
rechts genügte die Bürgschaft von zwei Bürgern und eine unbedeutende
Abgabe an den Reichsschultheiß. Und nicht minder leicht war für
dieselben die Erwerbung der Ratsfähigkeit, d. h. die Zulassung in
die noch nicht festgeschlossenen Reihen der Geschlechtergenossen. Erst
im Laufe des 16. Jahrhunderts hat sich das Nürnberger Patriziat
mehr und mehr verengert und abgeschlossen. Was diese auswärtigen