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Der erste Druck, 1862, und die endgiltige Fassung.
Politische Wirrsale, neue künstlerische Pläne, Not des
Daseins verhinderten zunächst die Ausführung der Meister-
singerdichtung. 1854 wurde die 'Tristandichtung begonnen,
1857 vollendet und im Winter 1857/58 vertont. Es war eine
Zeit schweren inneren Leidens für Wagner, und erst später
wandte er sich wieder zu seinen „Meistersingern“, welche ihm
Befreiung und Heilung gewähren sollten. Eine innere Ver-
wandtschaft der Musik des „Tristan“ mit der der „Meister-
singer“ ist nicht abzuleugnen. Und Nietzsche sagt („Richard
Wagner in Bayreuth“): „Wer sich über die Nachbarschaft des
Tristan und der Meistersinger befremdet fühlen kann, hat das
Leben und Wesen aller wahrhaft großen Deutschen in einem
wichtigen Punkte nicht verstanden: er weiss nicht, auf welchem
Grunde allein jene eigentlich und einzig deutsche Heiterkeit
Luthers, Beethovens und Wagners erwachsen kann, die von
anderen Völkern gar nicht verstanden werden wird und den
jetzigen Deutschen selber abhanden gekommen zu sein scheint
— jene goldhelle, durchgegorene Mischung von Einfalt, Tief-
blick der Liebe, betrachtendem Sinn und Schalkhaftigkeit, wie
sie Wagner als köstlichen Trank allen denen eingeschenkt hat,
welche tief am Leben gelitten haben und sich ihm gleichsam
mit dem Lächeln der Genesenden wieder zukehren.“
Im Winter 1861/62 erst vollendete Wagner die Meister-
singerdichtung in Paris und begann im Frühjahr 1862 in Biebrich
die Vertonung. Weihnachten desselben Jahres wurde der Text
nach dem Manuskript bei Schott in Mainz veröffentlicht. 1895
yaben ihn die Verleger in Faksimiledruck neu heraus. Wesent-
liche Unterschiede zwischen diesem 62er Text und dem heutigen
bestehen nicht: es sind meistens nur stilistische Verschieden-
heiten: Kürzungen und Ausdruckverbesserungen. Durchgreifend
verändert sind jedoch Walters Preislied und dementsprechend
Beckmessers Sang, sowie Sachsens Schlussrede. Gegen die
Entwürfe scheint äusserlich „die Handlung beinahe unverändert;
aber sie gewann einen ganz neuen Mittelpunkt: Hans Sachsens
Liebe zu Eva und seine Entsagung. Tief innere Erlebnisse