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Nur zögernd und mit Widerstreben bin ich dem ehrenvollen
Rufe gefolgt, den Vortrag über die geschichtliche Entwicklung der
Reichsstadt Nürnberg für den 5. deutschen Historikertag zu über-
nehmen. Ist es schon an und für sich eine schwierige Aufgabe, von
dem allmählichen Auf- und Niedersteigen dieses durch eine überreiche
Geschichte ausgezeichneten Gemeinwesens in dem engen Rahmen
eines Vortrags ein deutliches Bild zu geben, so steigerten sich
meine Bedenken noch, wenn ich mir vorstellte, welch auserlesene,
sachkundige und kritische Zuhörerschaft heute dieser altehrwürdige
Saal in sich vereinigen würde. Ich brauche es kaum zu bemerken:
es ist unmöglich, die Entwicklung der Stadt überall mit derselben
Gleichmässigkeit zu behandeln. Vieles kann ich nur flüchtig streifen
und von manchem muss ich schweigen. Das Eigenartige und Cha-
rakteristische hervorzuheben und jenen Entwicklungsphasen, die einer
Aufklärung bedürfen, eine besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden,
darin hat, wie mir scheint, meine heutige Aufgabe zu bestehen.
Gleich für die älteste Zeit wird es erforderlich erscheinen,
gegenüber älteren und neueren Ansichten bezüglich der Entstehung
der Stadt Stellung zu nehmen.
Die älteren Nürnberger Historiographen halten dafür, dass
Nürnberg eine römische Gründung sei. Der Chronist Sigmund
Meisterlin und nach ihm der Nürnberger Ratschreiber und Annalist
Johannes Müllner, ein Historiker, der schon den Erscheinungen auf
den Grund zu kommen trachtete und vor dessen kritischem Auge
sich schon so manche Fabel der Vorzeit in nichts auflöste, wissen
es nicht anders, als dass Nürnberg von dem römischen Feldherrn
Tiberius Claudius Nero, dem späteren Kaiser Tiberius, im Jahre 12
vor Christi Geburt erbaut worden sei. Ja, die Annahme, dass