0 1. Festrede des Prof. Ir. Edm. Goetze 34 93
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„der von Anfang an den anstößigen Ton mied, ist wirkliche
dramatische Wechselrede zu spüren: jede Person spricht ihrem
Charakter gemäß und fördert an ihrem Teile die Handlung.
Auch hier wie in den Meisterliedern durchbricht er die engen
Schranken und zieht eine große Stoffwelt in seinen Bereich.
Er bringt nicht nur die Patriarchen, sondern auch die Helden
der deutschen Sage auf die Bühne, ihm bieten antike Dichter
wie Plautus und antike Geschichtschreiber wie Livius und
Plutarch Stoffe, aber auch die deutschen Volksbücher werden
durch ihn neu belebt. Seinen dramatischen Aufbau tadeln ist
nicht schwer. Er verstand nicht, was zu seiner Zeit überhaupt
niemand verstand. Den gleichzeitigen englischen Dramatikern
kann er sich getrost an die Seite stellen, und Shakespeare
begann zu dichten, als Hans Sachs die Augen geschlossen hatte.
Nur daß Hans Sachs sich auch an große weitschichtige Hand⸗
lungen wagte, war sein Fehler. Die Treuherzigkeit der Sprache
jedoch, der Zweck dramatisch vor Augen zu führen, was von
Kindesbeinen an jedem vertraut war, das hat viele seiner
Spiele in dem Bauerntheater von Südbayern und Osterreich—
Ungarn bis in unsere Tage herübergerettet.
Wo Hans Sachs aber die Fabel in wenige hundert
Verse zusammendrängen konnte, in seinen Fastnachtspielen,
da ist er Meister, da beherischt er auch die Technik vollkommen.
Alle die Figuren, die er auftreten läßt, die Bürger und Bauern,
die Domherren und Pfaffen, die fahrenden Leute und die alten
Unholden, sie sind dem Zuschauer bekannt; wenn sie in ihren
Thorheiten und bösen Lüsten vorgeführt werden, wenn sie wegen
ihrer Sucht, Unfrieden zu säen, gar vom Teufel gemieden
werden, da fühlt der Hörer ein Behagen, und die Absicht des
Dichters zu reinigen und zu befreien ist erreicht. Hans Sachs
stellt mit hellem, freudigem Sinn alles so frisch und kernig
wirksam hin, daß es heute noch so unmittelbar ergötzlich wirkt,
wie im Jahre seiner Entstehung. Und auch wir empfinden bei
der Lehre am Schlusse mit dem Sachsreim die Wahrheit des“
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