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Neue Metamorphosen.
Briefe der preußischen Kronprinzessin an die Königin Karoline. Den
8. März 1832 schrieb sie: „Le portrait de ce pauvre jeune homme
m'a aussi vivement interessbe.“ Und am 18. desselben Monats:
„Je ne sais si c'est l'effet de mon imagination frappée, mais il
m'a semblé trouver quelque ressemblance entre les traits de Hauser
at cenx de votre pauvre frèôre; Willy et le Landgrave le trouvèrent
comme moi. Ce visage m'inquiétait comme un spectre.“
Um Kleines mit Großem zu vergleichen, so erinnere man sich,
daß gerade das einzige Porträt Shakespeares (Kupferstich der
ersten Folidausgabe 1623, von Martin Droeshout), das von einem
Manne anerkannt ist (es stehen nämlich Verse des 1637 verstorbenen
Ben Jonson darunter), der diesen William Shakespeare bei dessen
Lebzeiten (zwischen 1564 und 1616) gesehen hat, von seiten aller
gläubigen Shakespeareaner verworfen wird, denn es entspricht
durchaus nicht ihrem Ideale.
Stanhope, der sich vom 21. bis 26. Januar 1832 in Mann—
heim aufgehalten, hat dort der verwitweten Großherzogin Stephanie
Feuerbachs Kasparbuch überreicht und ihm den 22. und 25. des
zenannten Monats darüber geschrieben. Tucher ist dieses Briefes erst
1873 „bei dem ganz blödsinnig gewordenen Ludwig Feuerbach in
Nürnberg habhaft“ geworden. Welchen Gebrauch die Kasparleute
davon gemacht haben, findet der Leser bei Daumer (1873, S. 446
bis 449) und Mittelstädt (1876, S. 105—110). Um die damaligen
Eindrücke zu begreifen, muß man sich lebhaft gegenwärtig halten,
daß die Phantasie der Frauen (ein Beispiel haben wir schon gesehen)
durch einen idealisierten K. H. angeregt worden ist. War Kaspar
ein Prinz von Bayern, weil die Majestäten von Bayern im Sommer
1833 zu Nürnberg seine Vorstellung verlangten? Oder war er ein
Prinz von Preußen auf Grund des lebhaften Interesses der Fürstin
große Lithographie von Joh. Nic. Hoff senior (gedruckt von Stern zu Frankfurt
und dort verlegt von Sigmund Schmerber), angeblich „nach der Natur gemalt von
Kreul 1830“, ist stark geschmeichelt. Man sieht also, wie wertlos die bemerkten
Familienähnlichkeiten (wie bei dem unvermeidlichen Wolfgang Menzel, Litteratur—
blatt 1858, No. 100) sind. denn sie beruhen samt und sonders auf Phantasie—
bildern.