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Hypothesen.
sein werden.) Die alte noch in ihrer Wohnung zum zweitenmal
von der juristischen Hauserpest heimgesuchte Frau Caspar sagte mit
berechtigtem Zorn: „Ich kann es beschwören (die gutmütige Seele
wurde nämlich nicht vereidigt, d. h. sofort als „verdächtig“ gemar—
tert) und die ganze Stadt wird mir es bezeugen, daß es nicht früher
und nicht später war als im Jahre 1820. Ich bin eine alte, ge—
brechliche Frau und bin keinen Tag sicher, von dieser Welt abge—
rufen zu werden, es wird mir daher Niemand, der mich näher kennt,
zutrauen, daß ich mit einer Lüge das Irdische verlassen werde.
Meinetwegen ist jener Knabe der Kaspar Hauser oder nicht, mir ist
es einerlei . . . Ich habe schon erfahren, daß die Angabe (wie
oben) von der Martha Schlatterer in Schwabach herrührt; allein
diese Person befindet sich entweder in einem großen Irrthum oder
sie speculirt blos auf die als Preis der Entdeckung ausgesetzten
10000 Gulden.“ Gut getroffen, Mutter Caspar!
Wären wir also mit Karlchen Hausheimer'fertig? Bei Leibe
nicht: erst soll der Jäger Caspar in Altdorf sein Alibi nachweisen,
sonst hat er den Kaspar in Ansbach ermordet. Denn man überlege
nur, was der Landrichter Zernott in Altdorf den 17. Februar an
das Regierungspräsidium über ihn berichtete: „Das lebhafteste Bild
von diesem Manne kann man sich machen, wenn er mit dem Kaspar
im Freischütz, von Acteur Geisler in Nürnberg gespielt, verglichen
wird.“ Schade aber, er hat seit dem Volksfest in Nürnberg sein
Jagdrevier nicht verlassen; er hat sich weder vor noch zu noch nach
der Zeit des gewaltsamen Todes Hausers von Altdorf entfernt.
) Das Hebammenbuch ihrer Mutter, der Frau Heller, fing mit 1815 an
und enthielt unter dem Jahrgang 1820, S. 3, No. 53, den Eintrag: Ten 25. Mai
bei (so) den Förster Caspar einen angenommenen Knaben 30 Pathengeld 4 Gulden
Lohn.“ Die Gebärdenote über die Schlatterer lautet: „War fehr geschwätzig und
beklagte sich zuweilen darüber, daß ihr Gedächtniß gelitten habe.“ Sie sollte am
15. Juli 1834 auch schon 35 Jahre alt werden! Den alten Caspar verlästerte
sie so: „Der Vater war ein rauher wilder Mann und man konnte von ihm sich
versehen, daß, wenn er Geld bekam, er sich zu unerlaubten Handlungen gebrauchen
ließ.“ Nach Vorlesung des Protokolls aber schnatterte die leichtfertige Klatsch—
mühle, daß „sie ihm durchaus keinen üblen Nachruf machen wolle, vielmehr solchen
jederzeit als einen rechtschaffenen Mann erkannt hätte.“