Kaspar als Zauberer.
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wärtig, als Kaspar am 4. Juni von Binder vernommen worden
ist. Dieser gemütliche Bürgermeister spielte in seinem Hause Hiltels
Isolierten und Herrmannsdörffers Idioten den Jungfernchor aus
dem „Freischütz/ vor, und Kaspar spielte es ihm bald nach. Ein
technischer Jagdpächter legte ihm auf Binders Bitte Zeichnungen
vor, und „mit bewunderungswürdiger Fertigkeit wurden diese von
Kaspar nachgemacht“ (Giehrl S. 38/34). Zu dem Simpel der
Polizeistube und dem Opfer eines Verbrechens des Vagabunden⸗
gefängnisses trat also alsbald der Hexenmeister Binders. Nun
fehlten bloß noch die Tiefsinnigen. Den 26. Juni wallfahrtet
Daumer, in derselben Woche Herr von Tucher nach Hiltels Sehens—
würdigkeit. Hickel erzählt: Kaspars „Aufenthaltsort wurde in eine
Wunderkapelle verwandelt, zu der nicht allein Neugierige und Mit—
leidtragende, sondern auch Gelehrte aller Fächer zogen. Besonders
strömten Damen mit Darreichung ihrer Opfer an Spielwaaren
bei. Wer sehen konnte — sah. Das regte nun auch meine
Neugierde an und setzte mich in Bewegung; aber ich fand nicht
einen Wilden noch Halbwilden, sondern einen Menschen gewöhnlicher
Art, einen Bauernbuben der da lachte, plapperte und seine Lage be—
haglich zu finden schien.“
Der Leser sieht jetzt wohl ein, daß die landläufige Kaspar—
Hauser-Geschichte aus einer Summe von lauter Nullen zusammen—
gesetzt worden ist. Die Wunderperiode wird vollkommen verständlich,
wenn man nur zu jedem Quark und Quatsch eine entsprechende dumme
stimmtheit und Wärme, daß man sie für die größten Psychologen halten sollte.
Als kürzlich Einer dieser Leute in meiner Gegenwart bezüglich Hausers ein Thema
berührte, worüber mein Gedächtnis treuere Kunde geben konnte, als das seine,
fragte ich denselben: haben Sie Hauser gesehen? — Nein, entgegnete
er, ich kenne ihn gar nicht, Dr. Preu ist mein Autor. Wer gegen
Hauser bei Damen spricht, darf auf keinen Dank, bei Herren — auf den Fehde—
handschuh rechnen. So wurde Lieutenant S. von seiner Geliebten auf dem Wege
von Grosreuth nach Nürnberg der Arm versagt, weil er die Aeußerung fallen
ließ: diese Fratzereien feien unnatürlich. Ein Kandidat des Ehestandes
muß sich an Nachgiebigkeit gewöhnen; ich hörte von ihm niemals mehr gegen
Hauser sprechen.“