Der „Mordversuch“ ein Traum.
bewegt und affiziert ist. Als ich in seiner Gegenwart von einer selt⸗
samen (2) Zufälligkeit sprach, daß wir nämlich bei unserem Einfahren
in Zürich vor dieser Stadt ein Haus bemerkt hätten, über dessen
Thüre sich die Worte befanden: Materialienhandlung von
Kaspar Hauser, so war er gleich äußerst aufgeregt und unruhig,
wahrscheinlich in der Hoffnung, über Familien-Angelegenheiten darin
einen Aufschluß zu finden, und sagte das wohl nicht genau überlegte:
„der heißt wohl nur so“ — eine Unterscheidung von Heißen und
Sein, die sonst nicht gewöhnlich ist.
Er erzählte unter anderem im Beisein mehrerer, er habe in
der finstersten Nacht ganz deutlich lesen können, und wie
er nach Dingen griff, die noch sehr entfernt waren, und sie näher
sah, als sie waren, so auch größer, wie denn in seiner Gegenwart
auch erzählt wurde, daß er eines Abends, als er, am offenen Fenster
stehend, den gestirnten Himmel erblickte, ausrief: welche Lichter! und
ohnmächtig zurücksank. Von der Schärfe seiner Geruchs-Organe
führt Herr v. Pirch einiges an, was mir gleichfalls erzählt wurde,
wie auch, daß er übelriechendes Kraut mit der Bezeichnung der Gegend,
wo es stehe, auf eine halbe Stunde weit entdeckt habe. Es
konnte niemand ihm herzhaft die Hand geben, ohne daß er darauf
sogleich eine besondere Lähmung des Armes verspürte. Das
Ausstrecken des Armes gegen ihn affizierte ihn magnetisch. Ich kann
mich überhaupt der Überzeugung nicht erwehren, daß er sich nach
seinem ersten Erscheinen in Nürnberg in einem ganz träumerischen
Dasein, in somnambulem Zustande, befunden, und daß ihm
nachher unter Menschen sein früheres Leben im einsamen Gefängnis
auch nur noch als ein traumartiges Dasein in der Erinnerung gegen—
wärtig war, wie er auch jetzt wohl manchem seiner Träume Wirklich—
keit giebt. Hieraus erklärt sich die Unsicherheit und In—
konsistenz in mancher seiner Aussagen. . ..
Wann man ihn jetzt selbst diese Geschichte (des, Mordversuchs?“)
erzählen hört und dabei seine ganze Individualität, die Lebendigkeit
und Aufgeregtheit seiner Phantasie in Anschlag bringt, so kann man
sich des Gedankens kaum erwehren, daß die Erscheinung des schwarzen
Mannes, der ihn töten wollte, in das Reich seiner Träume
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