Volltext: 1828-1833 (1. Band)

Der „Mordversuch“ ein Traum. 
bewegt und affiziert ist. Als ich in seiner Gegenwart von einer selt⸗ 
samen (2) Zufälligkeit sprach, daß wir nämlich bei unserem Einfahren 
in Zürich vor dieser Stadt ein Haus bemerkt hätten, über dessen 
Thüre sich die Worte befanden: Materialienhandlung von 
Kaspar Hauser, so war er gleich äußerst aufgeregt und unruhig, 
wahrscheinlich in der Hoffnung, über Familien-Angelegenheiten darin 
einen Aufschluß zu finden, und sagte das wohl nicht genau überlegte: 
„der heißt wohl nur so“ — eine Unterscheidung von Heißen und 
Sein, die sonst nicht gewöhnlich ist. 
Er erzählte unter anderem im Beisein mehrerer, er habe in 
der finstersten Nacht ganz deutlich lesen können, und wie 
er nach Dingen griff, die noch sehr entfernt waren, und sie näher 
sah, als sie waren, so auch größer, wie denn in seiner Gegenwart 
auch erzählt wurde, daß er eines Abends, als er, am offenen Fenster 
stehend, den gestirnten Himmel erblickte, ausrief: welche Lichter! und 
ohnmächtig zurücksank. Von der Schärfe seiner Geruchs-Organe 
führt Herr v. Pirch einiges an, was mir gleichfalls erzählt wurde, 
wie auch, daß er übelriechendes Kraut mit der Bezeichnung der Gegend, 
wo es stehe, auf eine halbe Stunde weit entdeckt habe. Es 
konnte niemand ihm herzhaft die Hand geben, ohne daß er darauf 
sogleich eine besondere Lähmung des Armes verspürte. Das 
Ausstrecken des Armes gegen ihn affizierte ihn magnetisch. Ich kann 
mich überhaupt der Überzeugung nicht erwehren, daß er sich nach 
seinem ersten Erscheinen in Nürnberg in einem ganz träumerischen 
Dasein, in somnambulem Zustande, befunden, und daß ihm 
nachher unter Menschen sein früheres Leben im einsamen Gefängnis 
auch nur noch als ein traumartiges Dasein in der Erinnerung gegen— 
wärtig war, wie er auch jetzt wohl manchem seiner Träume Wirklich— 
keit giebt. Hieraus erklärt sich die Unsicherheit und In— 
konsistenz in mancher seiner Aussagen. . .. 
Wann man ihn jetzt selbst diese Geschichte (des, Mordversuchs?“) 
erzählen hört und dabei seine ganze Individualität, die Lebendigkeit 
und Aufgeregtheit seiner Phantasie in Anschlag bringt, so kann man 
sich des Gedankens kaum erwehren, daß die Erscheinung des schwarzen 
Mannes, der ihn töten wollte, in das Reich seiner Träume 
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