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in Zürich, erscheinen sollten und nicht erschienen sind. Die
fürstliche Persönlichkeit, aus deren Hand Herr v. Artin das
Dokument erhalten haben will, blaäbt für mich und sicher
noch für viele andre eine imaginäre Größe, bis es ihr beliebt,
sich zu demaskieren.
Herr v. Artin verlangt Oeffnung der Gruft in Pforzheim
und der Särge der 1812 und 1817 verstorbenen Prinzen.
Bei einer andern Gelegenheit hat er einen derartigen Vor—
schlag nicht glücklich genannt. Ich habe dagegen nichts ein⸗
zuwenden, verspreche mir aber nichts davon. Wenn in dem
1812 beigesetzten Sarge das Kind eines Bauernweibes liegt,
so ist dies nach achtzig Jahren an den Resten nicht zu er—
kennen. Finden sich an beiden Körpern oder an einem von
ihnen Spuren von Gift, so wird damit zwar das schwere
Verbrechen des Mordes erwiesen, aber in keiner Weise
konstatiert, daß der ältere Prinz nicht in seinem Sarge ruht,
geschweige denn, daß er mit Kaspar Hauser identisch war.
Um das letztere zu erweisen, bedarf es ganz anderer
Mittel, als Herr v. Artin sie bisher angewandt hat. Er
stellt noch weitere Dokumente in Aussicht, so „namentlich“
ein sehr vertraut gehaltenes Schreiben Ludwigs an den
Kastellan Kaspar Müller in Falkenhaus vom Jahre 1819.
Nun, Prinzen, deren Thun und Treiben oft das Tageslicht
scheuen muß, bedienen sich bei liederlichen Liebeshändeln u.
dgl. mitunter niedriger Kreaturen und werden dadurch be—
wogen, diesen gegenüber nicht allzu hoheitsvoll aufzutreten.
Wer ein so schlechtes Gewissen hat, wie Ludwig, muß oft
seinen Helfern und Mitwissern gegenüber zarlere Seiten
aufziehen, als ihm angenehm ist.
Solange Herr v. Artin nicht bessere Beweise bringt,
können wir ihm die Lösung des Hauserrätsels nicht zuge⸗
stehen. Seine Quellen sind teils sehr bedenklicher Natur,
teils völlig unkontrolierbar, die von ihm kombinierte Dar—