Volltext: Kaspar Hauser

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der sich für ihn Interessierenden, aus seinem Munde Aus— 
kunft über seine Person und seine Vergangenheit zu erhalten, 
bestärkte ihn darin. Es ist wohl anzunehmen, daß viele in 
seiner Gegenwart offen ihre Vermutungen austauschten, 
wähnend, der Trottel verstände nichts davon. Er aber ver— 
stand alles und wußte danach sein Benehmen und später 
seine Aussagen einzurichten. Bald merkte er, daß man 
glaube, in ihm einem großen, ernsten Geheimnisse auf der 
Spur zu sein. Es galt jetzt für ihn, durch seine Erzählung 
den Wunderglauben zu bestärken, zugleich aber auch alle 
Widersprüche sorgsam zu vermeiden. Sobald er sich dazu 
bequemt hatte, genügend Deutsch zu verstehen und zu sprechen, 
begann das Ausforschen. Seine Antworien bemaß er mög— 
lichst kurz, oft unklar, denn erstlich entsprach das am besten 
dem simulierten Bildungsgrade, zweitens ließen sich damit 
etwaige Widersprüche verdecken. Mit der Zeit aber, als 
seine Sprachgewandtheit die auffallend großen Fortschritte 
gemacht hatte, mußte er sich doch geläufiger und des Breiteren 
über Vergangenheit, Herkunft, Heimat, Verwandte u. ogl. 
äußern. Da kam er in manche Verlegenheit. Nannte er 
Ort und Leute mit Namen, so wurde Nachforschung gehalten, 
und der Schwindel entlarvt. Erzählte er davon, ohne Namen 
zu wissen, so war dies sehr auffällig und Verdacht erregend. 
Dazu mußte er auf der Hut sein, um nicht auf Wider— 
sprüchen ertappt zu werden. Man ließ ihn z. B. etwa sein 
Elternhaus ausführlich beschreiben und protokollierte seine 
Aussagen. Acht Tage später, nachdem inzwischen viel andres 
mit ihm gesprochen war, wurde er noch einmal über das 
Haus befragt. Wie leicht konnte er inzwischen vieles ver— 
gessen haben, was er zuerst ausgesagt, z. B. die Zahl der 
Zimmer, die Beschaffenheit des Möbels u. a. „Der Lügner 
muß ein gutes Gedächtnis haben“ ist ein altes wahres Wort. 
Solchen Schwierigkeiten ging er am besten dadurch aus dem
	        
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