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Noch immer keine Antwort, sondern nur das zustimmende
eichen.
d Franz griff nach Evas Hand, die sie ihm willig überließ.
„Sehen Sie, Eva, dann muß ich Ihnen aber nach unsrem
Pakte anvertrauen, daß ich bereits recht unglücklich war.“
Erschrocken sah das junge Mädchen unter Thränen auf.
„Ja, Eva, ich liebe ein herziges Mädchen treu und innig“
ihre Hand zitterte leise in der seinigen — „und wenn ich
das nicht heimführen kann, wird mir nimmer ein Glück blühen.
Bisher wußte ich nur nicht, ob sie mich wieder liebte, und ehe
ich darüber nicht Gewißheit hätte, wollte ich nicht bei ihrem
Vater anfragen. Liebe, kleine Eva, mein treuer Freund, jetzt
glaube ich aber zu wissen, daß jenes holde Kind, dem mein
ganzes Sinnen und Trachten gilt, mich wieder liebt, schon seit
langem, aber ohne daß sie es selbst wußte.“ — Ein Erschauern
ging durch Evas zarten Körper. „Wie ein Pflänzchen, das
im Verborgenen geschlafen hat und nun, von der Sonne allmählich
wachgeküßt, zarte Wurzeln treibt und sich befestigt, so hat ihre
Liebe lange Zeit im geheimen geschlummert und dann leise im
Herzen gekeimt. Nun aber entfaltet sie sich plötzlich, einer
Wunderblume gleich, in voller Frühlingspracht. Eva,“ und er
zog das weinende Mädchen, ohne Widerstand zu finden, an seine
Brust, „meine geliebte Eva, täusche ich mich oder zog auch in
Dein Herz siegreich ein der Liebe Lenz?“
Fassungslos barg sie ihr Köpfchen an seiner Brust, sprechen
konnte sie nicht; dann aber schlug sie die Augen auf, und ein
solcher Strahl heißer Liebe und glückseligen Vertrauens lag in
ihrem Blick, daß Franz glückberauscht die Braut in die Arme
schloß und ihren Mund mit Küssen bedeckte.
Merkwürdig! Als die beiden aus dem ersten Traume der
Liebesseligkeit erwachten, lag ein süßer, bisher fremder Zug
auf Evas Gesicht.
Die Knospe war erblüht, das Kind zur Jungfrau gereift.
Nach einer halben Stunde stand Franz von Crailsheim im
Studierzimmer des Freiherrn von Jörger.
Zuerst zwar etwas stockend, dann aber in beredten Worten
gestand er dem Vater Evas seine Liebe und hielt um ihre Hand an.
Lächelnd hatte der Freiherr zugehört und als Franz seine
Beichte mit der Bitte um Verzeihung schloß, daß sene
Rücken der Eltern gehandelt haͤbe, reichte ihm Joͤrger die Hand.