Wenn wir die Geschichte Deutschlands verfolgen, so tritt uns
das Wesen und die Entwickelung der Städte und unter ihnen
vorzüglich der Reichsstädte als eine uns lebhaft interessirende und
fesselnde Erscheinung entgegen, wie denn die letzteren auch auf
unseren Reisen durch das deutsche Vaterland durch das allent—
halben uns umfangende alterthümliche Gepräge und den oft noch
mit großer Treue bewahrten mittelalterlichen Charakter vorzugs—
weise unseren Blick auf sich ziehen und uns zur Einkehr und zu
längerem Verweilen einladen. Tacitus sagt, daß die Germanen
nicht in Städten und auch nicht einmal in zusammengebauten
Dörfern wohnten; der in ihnen mächtig vorwaltende Freiheits—
drang gestattete ihnen nicht, sich der Beschränkung, welche das
Zusammenleben in Städten den Einzelnen auflegt, zu unterwerfen.
Im weiteren Verlaufe der deutschen Geschichte waren es dagegen
gerade die Städte, welche das Palladium bürgerlicher Freiheit
wurden und dadurch das Mittel jedes Fortschritts in Bildung
und Gesittung. Als die verschiedenen Stände des Reiches mit
ihren widersprechenden Interessen einander gegenübertraten, als
die Ritterbürtigen die gemeinen Freien, welche sie bei der Kost—
spieligkeit des Reiterdienstes von den Waffen verdrängten, aus
unabhängigen Männern zu Unterthanen machten, da vermochten
nur diejenigen von den Letzteren, welche sich in die Städte zu—
ruͤckgezogen, die alte Volksfreiheit zu bewahren. Durch Mauern
und Waͤlle geschützt und in Gemeinden constituirt, konnten sie
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