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Schiller, ein Mann und Vorbild;
von
Joseph Rank.
Drei Jahre sind es her, als eines Tages in das Schiller—
haus zu Weimar ein junger Fremder trat und mit bewegter
Stimme fragte:
„Wohnt Schiller hier und ist er zu sprechen?“
„Der Hausaufseher sah den Fremden an und erwiederte:
„Schiller wohnte hier — allein — der Dichter lebt nicht
mehr.“
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Betroffen prüfte der Fremde die Mienen des Hausauf—
sehers und als er in denselben die Richtigkeit der Antwort
las, wechselte er die Farbe, senkte den Blick zu Boden, sagte
stille für sich: „Er lebt nicht mehr!“ und drehte sich um, das
Haus zu verlassen; an der Schwelle noch einmal inne haltend
gestand er jetzt: er komme aus weiter Ferne her, habe erst in
jüngster Zeit die Werke Schillers kennen gelernt, habe sie mit
Erstaunen und Bewunderung gelesen und sei, ohne vom Dichter
mehr zu wissen.als daß er zuletzt in Weimar gelebt, herbeige—
eilt, dem ausserordentlichen Manne seine Verehrung zu be—
weisen.
„Ich dachte“ schloß er sein Bekenntniß: „Schiller könne
nicht todt sein, Schiller müsse noch leben!“—
Für wen — und wäre er noch so vertraut mit dem Leben
und Tode des Dichters, hätte dieser Ausruf nicht etras Wah—
res, etwas tief Empfundenes?
Der sollte nicht mehr unter uns sein, dessen Worte un—