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Anspruch entgegen, daß ihr Leben die Aufrichtigkeit ihrer
Grundsätze verbürge. Schillers Person-scheut nimmer das Ta—
geslicht;
Denn hinter ihm in wesenlosem Scheine
Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine.
Ich rede hier nicht von groben Fehlern, für welche die
Genialität oft nur allzuwillig den Freibrief erhält; aber auch
so gar nichts Trübes ist in dieser spiegelreinen Seele, nachdem
sie aus der Gährung der Jugend sich einmal geklärt hat. Wie
kindlich und brüderlich bleibt sein Verhältniß zu Eltern und
Geschwistern! Die Mutter bezeugte noch im Sterben, daß er
der beste Sohn gewesen, und die fast neunzigjährige Schwester
bewahrte mit rührender Pietät sein Andenken. Wie reich er—
scheint sein Herz in den Briefen, die er mit der Braut ge—
wechselt, und als er Gatte und Vater war, siehe da erweist
es sich noch reicher, weil er den Seinen all seine Schätze von
Lieb' und Vertrauen erschließt. Da hängt er an Weib und
Kind mit der vollen Zärtlichkeit eines deutschen Hausvaters,
der in der Familie so gern die Welt vergißt, und ehrt die
Gattin mit der besten Ehre, indem er sie zur Cheilnehmerin
macht von seinen besten Gedanken. Denn sie war ihm Ge—
nossin seines innern Lebens, nicht bloß Versorgerin und Meh—
rerin des Hauses. Sein inneres Leben aber pulsirte kräftig
und rastlos im Lernen und Forschen, im Sinnen und Schaffen.
Ist eine Aufgabe gelöst, so wacht auch schon ungeduldig das
Verlangen nach einer neuen, wo möglich höheren. So strebt
er, ungeblendet von Erfolgen, frei von Eitelkeit, immer sicherer
mit dem Wachsthum der Klarheit, unabhängig im Urtheil,
gegen Schmeichelei unbestechlich, gerechtem Tadel zugänglich,
den Blick nur auf die gute Sache gerichtet, von fremdartigen
Rücksichten unverwirrt, dem Ideale des Schoͤnen zu. Dankbar