Kapitel IX.
Der Reichstag von Augsburg.
Wir haben gesehen, welchen entscheidenden Einfluss Nürn-
berg bei den Massregeln gehabt hat, durch welche die prote-
stierenden‘ Stände sich gegen die feindliche Reichstagsmajorität
zu sichern suchten, dass die Stadt mit Eifer an einem Ver-
theidigungsbund arbeitete, von welchem sie die Zwinglianer
nicht ausgeschlossen wissen wollte, Der Rat erhoffte viel von
Jer Person des Kaisers; im Frühjahr 1530 unterhielt er Ge-
sandte beim Hofe, deren eigentliche Aufgabe im Auskundschaften
bestand 1). Trotz der beunruhigenden Nachrichten, welche die
Städte austauschten 3), bezweifelte er} dass der Kaiser das Reich
mit Blut überströmen werde, sondern erwartete einen Ausgleich
der Verhältnisse durch sein persönliches Erscheinen. Im Februar
erfuhr er, dass der Kaiser vielleicht nach Rom gehen würde;
zon neuem wiederriet er deshalb Sachsen eine Gesandtschaft.
Anfang April konnte er mitteilen, dass der Kaiser von Bologna
nach Deutschland aufgebrochen sei. Schon Anfang März mahnte
er die protestantischen Fürsten zu persönlichem Besuch des
Reichstages von Augsburg 3. Als nun Strassburg und Ulm dem
Rate einen Städtetag zur Vorbereitung für den Reichstag
empfahlen, warnte der Rat davor, das Mistrauen des Kaisers zu
erregen 4); seine Gesandten hätten am Hofe in Erfahrung
gebracht, dass der Kaiser den Städten den Hauptanteil an den
Bundesbestrebungen zuschreibe; eine Zusammenkunft der Städte-
boten. in Augsburg selbst erschien dem Rat weniger bedenklich
zu sein. Aber in Wirklichkeit hielten sich die Nürnberger in
Augsburg von den übrigen Städteboten zurück, Der Bundesplan
war gescheitert; in der rein religiösen Frage aber war dem
Rate ein Kompromiss mit den Zwinglianern unmöglich; deshalb
hielt er sich eng an Sachsen und vermied Krörterungen, die
ihm aussichtslos oder gefährlich erschienen. Als dann am
Schluss des Reichstages der Konflikt mit dem Kaiser selbst
entstand. folgte Nürnberg konsequent der Lehre Luthers vom
‘) An Sachsen; an Besserer, 4. Februar 1530. 2) An Strass-
burg, 21. März, Pol. Corr., Bb. 113. An Sachsen, 2. April, Bb. 113.
’) An Sachsen, an Hessen, an Brandenburg, 8. März, Bb. 113. 4) An
Strassburg, an Ulm, 18. März, Pol. Corr., Bb. 113.