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Ein Vermächtniß der 1639 verstorbenen Kaufherrnwitt—
we Elisabetha Kraus verschafft den Kindern alle Jahre am
Johannistage einen frohen Tag durch reichlichere Kost und
Spiel und Musik; daß der Wille der Stifterin hier nicht
genau eingehalten wird, geschieht deßhalb, weil sie für je—
des zu viel bestimmte (z. B. für jedes ein halb Seidlein
Wein und anderthalb Seidlein Bier), was der Gesundheit
der Kinder unmöglich zuträglich seyn würde. An genann—
tem St. Johannistage werden Lbmti gZppeinru durch
ihren Lehrer auf den AAFeführt; bei dieser
Gelegenheit, erzählt man sich, hätte ein Stößer von seiner
Arbeit nachgelassen und dem Zuge der Findelkinder zugese—
hen; darüber sey der Prinzipal zornig geworden und habe
dem Stößer den Stößel an den Kopf geworfen, daß der
arme Mensch sogleich todt blieb. Deßhalb ist an dem Hau—
se L. 149 ein Männlein mit Mörser und Stößel ange—
macht, mit besonderer Vorrichtung, wodurch jedesmal, wenn
der Zug der Findelkinder vorbeikömmt, die Figur in Be—
wegung gesetzt wird.
Die Zahl der aufzunehmenden Kinder darf hundert be—
tragen, erreicht aber in der Regel diese Zahl nicht. Die
Einrichtung des Hauses ist einfach, im höchsten Grade rein—
lich; ein Hof zum Spielen nach den Lernstunden, freie luf—⸗
tige Zimmer zum Schlafen, Essen, Lernen u. s. w.; ein
Lehrer, der für kleine Kinder nicht besser gewählt werden
kann, eine Findelmutter von gutem redlichem Herzen; es
vereinigt sich Alles, den Kleinen die Eltern zu ersetzen.
In dem größern untern Zimmer hängt das Oelbild der
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