Volltext: Mein Kriegs-Tagebuch vom 29. Juli bis 1. September 1870

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bei Kräften geweien, ih Hätte feine Mäßigung gekannt. Mandmal blieb fie 
tehen und lachte laut — ein Lachen, das Jeden empdren mußte, 
Da nahten Schritte einer gefHloffenen Abtheilung. Sie oh. C&3 war 
eine preußifche Sanitätsabtheihung, zum Abfucdhen des Schladtfeldes fomman- 
dirt. Brüderlidh theilten die Soldaten ihre VBorräthe an Chiyaaren den Ver: 
mwundeten mit und der Führer ging tröftend von Einem zum Andern, „Wo 
bit Du geidhoffen, mein Lieber?“ „Im Arm.“ „Knochen verlebt?“ „Nein.“ 
„Kun damı jei froh, aber den Knochen wenn e8 erwifcht, Das thul meh.“ 
Und zu einem Andern fih mwendend: „Was fehlt Dir, Kamerad?“ „Schuß 
in3 Bein.“ „Knochen verlest?“ „Ia, iO glaub fhon,“ „Nun, dann fei 
iroh, aber fon Schuß iu’3 die Fleijh, Sapperment, Das thut weh.“ . 
Mieder wurde e8 todtenftill. „Können Sie nicht jagen: wo it der Kom- 
mandant diefes Orts?“ fo riefen mid zwei franz. Artillerie: oder Marine: 
offiziere an dem Erdgejhoß des Haufe, in dem id gelegen, an und mit der 
den Franzofen eigenthümlidhen Gejhwäbigkeit Fauten fie mir einen ganzen Noman 
bor, defien Schluß die Bitte war, iq follte beim Ortskommandanten die Er- 
(aubniß erwirken, daß fie gegen Chrenwort nad) Sedan dürften, wo fie doch 
ein [Höneres Leben Hätten wie hier, 
Daß Euch der Kukuk nah Cayenne fHlage, fhönes Leben — ja, ic 
wäre froh, fönnte ic) an einer Brodrinde nagen, — bleiben Sie nur da; wo 
(teten Sie denn eigentlich? — Mit einer wunderlidhen Naivetät fagten die Bei: 
den, daz fie im Keller gelegen. Wozu der Clan einen Menjcdhen treiben kann! 
Hütten die Beiden gewußt, daß Fein Unverwundeter in der Nähe fei, Hätten fie 
vecht gut in Civilfleidung davon kaufen Fönnen; vielleicht war €$ ihnen zu 
romantijdh. Wie gerufen Fam eine Feine preuß. Abtheilung mt einer Nummer 
in den Sechzigern. IH rief den die Abtheilung führenden Unteroffizier herbei, 
„Sie, da teen noch zwei unverwundete Franzofen drin. Nehmen Sie die: 
jelben gefangen, aber rajch!“ Und als wäre eine Divifion zu Fonmmuandiren, 
rief der Führer: „Magdeburger Füfiliere, mo feid ihr denn? (Sie waren 
Alle 3 SoHritt weit davon.) Zwei Mann an jedes Zenfter, die andern mit 
mir! Marjh!“, ftürzte in das Haus, brachte mit mahrem Wohlbehagen die 
beiden Lebemänner unter den Gelächter der in der Nähe Befindlihen heraus 
und ging, fie in Die Mitte der Sektion oder des Halbzugs nehmend, feinem 
Berufe, der mir unbekannt, wieder nach. 
Ein durd) das Dorf fahrender Sanitätswagen nahın mid auf und brachte 
mich durch das noch brennende Bazeilles nad Frenois. 
Schladhtfelderbejchreibungen Haben gerade genug bereit das Vidht der 
Welt erblict; id will diefe Literatur nicht vermehren; aber eine Gruppe auf 
der Wiefe hei Bazeilles glaube ich der befondern Erwähnung werth. &3 mar 
ein Bayer (Leibregiment), ein Preuße und Franzoje, lepterer mit zerfdmet: 
tertem Kopfe; neben ihn der Bayer, noch den Yatagarı des Kranzojen in der 
Bruft, und über dem Kameraden aus Süden lag der von jenjeitS des YNlains 
— Die feindlidhe Kugel Hatte ihn in die Stirne getroffen, aber der zerbrochene 
Getwehr[haft gab Zeugniß, daß die lebte Kraft verwendet worden mar, um Den 
bedrohten Kameraden wo möglihH zu retten, und dariiber Hatte ihn das 
tödtende Blei erreicht; er ruhte au des Freundes Seite — ein Bild treuefter 
Waffenbrüderidhaft. 
Nachdem id evakuationsfähig erklärt wurde, trat ih mit einer vom La: 
zareth abgehenden Kolonne die Heimreife au. Wir fuhren auf mit Stroh be: 
deckten Leiterwagen durch Scdan der beigilhen SOrenze zu, wofelbft die aufge: 
itellten Boften der Belgier auf un anlegten, Da die EPferde nicht fogleich auf
	        
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