Volltext: Mein Kriegs-Tagebuch vom 29. Juli bis 1. September 1870

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jächlihH der gedructen Nachrichten nicht gleich zu beforgen, der Konnte fehen, 
mie er fpäter aus den zufammengeweichten Klumpen in feiner Zajde Hug 
werden Konnte. 
Vor Clermont hielten mir an und fäuberten, fo viel e&8 möglidH war, 
unfjer Exterieur; inzbejondere murden die über die Ohren gezogenen Mantel- 
frägen umgejtülpt, Denn der König follte im Orte fein und da galt e8, zu 
zeigen, daß wir das Bischen Wafier HöchjtenS nur al8 eine Meine Anfrifhung 
betrachteten. 
Dhne Befondere Aufmunterung wuchs jeder Mann uni einen Zoll, und 
itramın marfchirten wir dur das Städtchen, jedoch ohue den König 
zu erbliden, da mwmahrfheinlidh die Ankunft des großen Hauptquartiers noch 
nicht erfolgt war. 
Nachmittags 2 Uhr machten wir auf einer Wiefe größere Raft, währ 
nend, daß dies Ihon unier Heutiger Bivonakplas märe; doch e8 follte anders 
fommen. 
Wir braden wieder auf und marfdhirten im Thale eines Nebenflüß- 
Hens der Aisne unaufhörlidh fort und felbft der AWbend jebte dem Mar: 
jhiven Fein Ende. EndlidH kamen wir nad St, Thomaz, doch au nur 
mieder, um durhzumarfchiren, denn Heute hieß es: „Nur weiter Herr, nur 
meiter.“ 
Um 11 Ubr kamen wir, jtark am Seift, am Leibe [Hwmadh, nah Bienne 
(a ville und bezogen Yuartiere. Wir 5 Offiziere waren fämmtlihH zu einem 
Schreiner divigirt, der uns mit Zittern und Zagen empfing. Hinter ihm ließ 
jih ein Schluchzen bernehuen, das don feinen beiden Töchtern hHerrührte, die 
id) die Zeit aus den Fugen denken mochten. 
5 Schwachheit, dein Name ijft Weib! Wenn du weinen willft, geh in 
zin Rlojter, Ophelia; aber jest wäre die Zubereitung eines Efienz — und zwar 
mehr Inhalt, weniger Kunft — cher am las. 
Während fauftdice ThHränen über die Wangen der Mäddhen rollten und 
jie fich gegenjeittg im Weinen anzufeuern IcOhienen, nahmen wir einftweilen Plas, 
ihwache Berjuche macdhend, uns zu entjtiefehn. 
„Aber, meine Herren“, jagte der Hauptmann, „fönnen Sie denn mit an: 
jehen, mie fid) die armen Mädchen da abhärmen; verfhaffen Sie ihnen doch 
Aufklärung, wer mir find und was wir wollen; fie verztueifeln ja fonft.“ 
Da fig fein Menfdh rührte, mußte wohl oder übel ich aufftehen und in 
die Küche wandern. AWber da wußte id) wirklidh nicht, follte ich felber anfan: 
gen zu meinen oder vor Lachen berften, denn die beiden unglücliHen Mäddhen 
hielten mit ihren 4 Händen eine Pfanne über das Feuer, für die Eine Hand 
hinreichend gemwefen wäre; dabei zitterten lie wie Espenlaub, und als ih noch 
dazu in die Kücdhe trat, verwandelte fih ihr Sewinmmer in SGeheul und ein 
großer Theil des Pfauneninhaltz wurde verfchlittet, fo daß ih vorzog, die 
Pianne felbjt über das Feuer zu Hakten, indem id mit meiner Mifjion der 
Tröftung begann. „Meine Fräulein, wir find Feine Turkos, Haben aber einen 
Rrügelhunger“ — ja fo, die reden ja franzSfifld — aljo nochmals angefangen : 
»Mes demoiselles, pourquoi pleurez-vous? il n’y a pas de quoi -— mais nous 
avons faim — grande faim — nous voulons bien payer — mais pourquoi 
pleurez vous encore? 
Die Mädchen fHauten mich mit verdubten Bliden an und antworteten 
durgH Stilljchweigen. Die SGefdhichte in der Pfanne drohte anzubrennen und 
ich fragte daher, ob denn die Sadhe noch nicht fertig wäre. Iebt nahm fidH
	        
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