Volltext: Mein Kriegs-Tagebuch vom 29. Juli bis 1. September 1870

einige Mal zu firaucheln und die Zorm für eine etwaige Fünftige Statue für 
nich auf welicher Erde zu Hinterlafjen. 
Mein Plasß war erreicht ; aber jeßt fehlte mir der Revolver. Der Held- 
webel, glücdlicherweife eine Laterne fein nenuend, erbot fich, Ihn zu fudhen amd 
brachte mir ihn auch mirklidh, jedoch mit dem daranhängenden halben Territo- 
vum eines Yandgerichtes, 
Wir biieben im ftrömenden Regen in Bereitihaft {tehen. Die Minuten 
ivucdfen zu Stunden, die Wachtieuer waren Tänımtlich verlöfcht, ein DBefehl zum 
Borrücken Fanı auch nicht. Gndlih und endlich wurde eS anı Sjtlihen Hori- 
zonte hell, der Regen Hörte auf und nie in meinen Leben habe ich einem 
Morgen fehnjüchtiger entgegengefehen, al8 heute nach der mahrhaft fehauer: 
‘ichen Nacht, 
Als die Helle endlich geftattete , einander zu Jehen, wußte man wirklich 
nicht, follte man (achen oder weinen. Unjer äußerer Menfjch war unter den 
Piaßlbürger gefunfen, Kleider und Gepäc wogen das Dreifache und Nirgends 
zin Plas auf dem man trocken jtand, nirgend cine Gelegenheit zum Siken: 
ohne Alles, was der Menjch zum Leben braucht, lebte man. 
Sm Zhal erftanden indejffen mit Tagesanbruch die verlöfchten Heuer von 
Neuem und mo nur ein Pläschen frei war, tauchten noch neue dazu auf, um: 
geben von Sruppein, die Kartoffel brieten und fotten, Raffee Fochten, Mantel 
und dio frodneten und ihre Thätigkeit mit VBerwünfchung des „dreckigen 
Sranfreichs“ begleiteten. 
Um 8 Uhr Morgens hörte man nicht {ehr meit entfernt Gefchübfeuer, 
das jich im Vaufe des Vormittags immer mehr verftärkfte, Unglücklichermeije 
war unfere Divijion wieder hinten und wir mußten geduldig das Krachen an: 
Hören und auf dem Plake, an dem {io viele Erinnerungen und Stiefelfohlen 
Eebten, ruhig bleiben. 
Der um 11 109r kommende Befehl, {o rafch wie möglich abzukochen, fchien 
anferen Hoffnungen no Raum 3u gewähren. Wir marfchirten dann aud) 
nad) Wormärts ab; als wir aber eine Stunde über Yenbach hinaus waren, 
fan uns unjer 3, Bataillon, das im ampfe war, fhon entgegen und wir 
zrjuhren, daß die Hauptfache bereits geichehen. Die Wägen mit den Verwun: 
deten famen ebenfalls Zurüc and man erfuhr dadurd über das Siemwelene, 
wenn auch nicht viel, jo Doch etivas. Vor Yangenfulzbach maren neben der 
Straße unter gehöriger Vedectung circa 200 Gefangene gelagert, darunter 7 
Offiziere, Die Typen Dieler VYeute boten einen Höcdhft interefjanten Anblic. 
Ta war der Zuabve in feinem maferijchen Koltüm, der Turkos, der iämmige 
napoleonSbartige Kürajfier, dazwijcdhen ein lutterföhnlein, dem auch die Sloire 
die Sinne umuebelt Hatte und das fi durch nichts, als durch Cigarretten: 
drechfein bemerkbar machte, wofür ihm einer der bewacdhenden Soldaten, der 
eine mächtige Pfeife randhte, nur berächtliche Blicte Hinwarf. Die Offiziere 
hatten fich am rechten Hügel abgefondert und {Hienen das verfäumte Zrühttic 
nachholen zu wollen, 
In Kangenfulzbadh lagen alle Häujer voll von Verwundeten. Die Am: 
bulanzen maren noch in angejtrengtejter Thätigkeit, die ausgefahrenen Wagen 
brachten theilweife noch gar nicht Verbundene zurüc, wir rücten vor, andere 
Abtheilungen gingen zurüß auf der nicht befonderS breiten Straße, die dadurch 
ine gewiß noch nicht erreichte Xebendigkeit bot, 
Su’8 Feuer Famen wir nicht mehr; wir Jahen nur noch fenern und hörten 
daS Hurrah vom Sturm auf Niederbromn. Nachdem mir die Höhe bei Meichs- 
hofen erjtiegen hatten, wobei wir aud) 6 eroberte Kanonen in Sicht bekanıen,
	        
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