190
vierundzwanzigstes Kapitel. In Augsburg.
Begriff, wie viel des deutschen Volkes der Doktor Martinus
auf seiner Seite hatte. Die Aufregung legte sich auch nicht eher,
als bis man über Luthers Schicksal beruhigt sein konnte, da die
Universität Wittenberg sowohl als auch der Kurfürst Friedrich
von Sachsen für den Mönch entschieden eingetreten waren und
es durchgesetzt hatten, daß dessen Sache auf deutschem Boden
ausgefochten werden solle, und zwar in Augsburg auf dem
Reichstag, wo der päpstliche Legat, Kardinal Kajetan, zum bösen
Spiele gute Miene machend, den Ketzer zu vernehmen sich bereit
erklären mußte.
Damit war man zufrieden gestellt, zumal auch der päpst—
liche Geschäftsträger dem Kurfürsten auf dessen energisches Dringen
in die Hand versprochen hatte, mit dem Augustiner in allem
Glimpf zu fahren. —
In brennender Ungeduld wartete Dürer des Tages, da
der Mann Gottes, der Retter seiner Seele aus großen Ängsten,
in das Thor von Augsburg eintreten würde, um ihn mit Augen
zu sehen, vielleicht gar mit ihm zu reden. Doch es verging
Woche auf Woche, und Luther kam nicht, es hieß sogar, er
werde erst kommen, wenn auf dem Reichstag alles andere er—
ledigt worden sei, und dessen war noch viel. So lange aber
konnte Dürer zu seinem größten Leidwesen nicht warten: Nach—
richten von Hause zwangen ihn um die Mitte des September
nach Nürnberg zurück.