Wie an dem Werke der kirchlichen Reformation Dr. M. Luther
nicht allein gearbeitet, sondern vor, mit und nach ihm gar mancher
bedeutende Mann zu dem Neubau, dessen Begründer und Meister
Luther bleibt, mit Herz, Kopf, Mund und Hand seinen Beitrag ge-
geben, so fand er auch als Reformator auf sprachlichem Gebiete
keine tabula rasa vor: das von der kurfürstlich sächsischen und
der kaiserlichen Kanzlei gepflegte und den Gebildeten des mittleren
und südöstlichen Deutschlands — und Nürnbergs in erster Linie —
schon geläufige „gemeine Deutsch“, das wenigstens in den Haupt-
punkten, vor allem im Vocalismus, eine Einigung erzielt hatte, *)
war Grundlage unserer, mit der Bibelübersetzung Luthers neu erste-
henden Schriftsprache ; die ersten Protestanten seiner obersächsischen
Heimat und jener genannten Gegenden unseres Vaterlandes waren
daher auch die ersten Schüler, Anhänger und Verbreiter derselben.
Und standen dort, im Streite für das reine Gotteswort, die
freien Städte des Reiches in den Reihen der Vorkämpfer und voraus
unser Nürnberg „wie die Sonne unter Mond und Sternen“ (nach
Luthers Ausspruch), so ward ihren Bürgern auch die feste Sprache
theuer und vertraut, in der das wieder gewonnene Wort nun frei
zu ihnen redete. Ihre zahlreichen Druckerstätten sorgten für die
Ausbreitung von Luthers Red’ und Lehre, und in Nürnbergs Meister-
singerschulen war es bald cine der Hauptregeln, dass „das Lied so-
wohl mit dem Inhalt der Schrift als mit des Lutheri reinen Worten
übereinkomme.“ **)
Sollte nun der Vertreter biederen deutschen Bürgertums, der
Stimmführer des Nürnberger Handwerkerstandes, Ians Sachs, der
so freudig „die wittenbergisch Nachtigal“ begrüfßfste, so muthig in
*) R, v. Raumers sprachw. Schr. p. 197 ff., 202 ff., 327 ff., 355 ff. — Koberstein,
Nationalliter. p. 277 f. der 5. Aufl. — Wackernagel, Gesch. d. deutsch.
Lit. p. 369 ff.; dazu E. Opitz, Über d. Spr. Luthers p. 27-—84.
**) Wagenseil, „Von der Meister - Singer holdseligen Kunst“, de civit. Norimb,
pag. 544,