Volltext: Albrecht Dürer

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goldbrokatene Mantel des Papstes und das scharlachrote Gewand 
des Kaisers gaben die Grundtöne an. Zwischen dem Gold und 
dem Rot vermittelt das gelbrötliche Kleid des psaltierenden Engels, 
„ach beiden Seiten hin werden die Hauptfarben ergänzt und zu 
-uhigerer Wirkung gebracht. Hinter dem Papste kommt ein rotes, 
‚iolettes, hinter dem Kaiser (nach dem Hintergrunde zu) ein blaues 
Gewand zur Geltung. Nur in dem (früheren) Kopfe der Madonna 
ınd den scharf gezeichneten Köpfen der Brüderschaftsgenossen be- 
„rüssen wir den alten deutschen Dürer. 
Das Rosenkranzbild ist die hervorragendste, aber nicht die 
einzige Leistung Dürers während seines Aufenthaltes in Venedig. 
Zeigt jenes den Einfluss der venetianischen Malerei, so offenbart 
das kleine Gemälde in der Galerie Barberini in Rom: „Christus 
unter den Schriftgelehrten‘“ die Einwirkung Leonardos, welcher 
überhaupt eine grosse Rolle in Dürers Entwickelung spielt, wie er 
auch unserem Meister nach der erfinderischen, grübelnden, wissen- 
schaftlich denkenden Seite der Natur durchaus wahlverwandt er- 
scheint. Leonardos Einfluss wird in der scharfen Zuspitzung der 
Charaktere, in den fast schroffen Gegensätzen der Köpfe, in der 
starken Mitwirkung der Hände an der Geberdensprache kund. In 
fünf Tagen hat Dürer das Gemälde vollendet, nachdem er aller- 
dings Köpfe (besonders den mild anmutigen Christuskopf in der 
Albertina) und Hände vorher sorgfältig gezeichnet hatte. Doch 
macht nicht die Schnellmalerei das Werk fein und bedeutsam, noch 
weniger seine malerischen Eigenschaften. Der Gesamteindruck ist 
keineswegs erfreulicher Art, da ganz abgeschen von der schlechten 
Erhaltung der Tafel die Komposition sich nicht im Raume vertieft, 
die Halbfiguren sich drängen, die vielen dicht vor den Augen des 
Beschauers sich bewegenden Hände und kreuzenden Finger den 
leichten Überblick des Ganzen erschweren. Einen viel grösseren 
malerischen Wert besitzt der kleine Christus am Kreuze (Dresden), 
welcher gleichfalls in Venedig gemalt wurde. Es ist das erste, 
rein malerische Stimmungsbild des Meisters. Aus tiefem Dunkel 
leuchtet der Christuskörper hervor. Nur am fernen Horizonte wirft 
ein gelbrötlicher Streifen Licht auf ein schmales Stück öden, ein- 
:önigen Scegestades. Das einsame Leiden des Heilandes, in welchem 
nur das Antlitz den furchtbaren Schmerz ausdrückt, der Leib männ- 
liche Kraft sich bewahrt hat, kann nicht ergreifender geschildert 
werden. Niemals hat sich Dürer der italienischen Kunst so sehr 
zenähert, niemals die mittelalterlichen Überlieferungen so voll-
	        
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