Volltext: Albrecht Dürer

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Neben den geschilderten Hauptblättern treten die anderen Holz- 
schnitte des Marienlebens etwas zurück, Doch enthüllen auch sie 
gar manchen fein psychologischen Zug des Künstlers. So stellt er 
in der Tempelszene dem Joachim, dessen Opfer vom Priester zurück- 
gewiesen wird, einen derben Tölpel mit einem kräftigen Sohne 
gegenüber, um die Schmach Joachims noch empfindlicher zu machen. 
Die fröhliche Begegnung Joachims und Annas unter der goldenen 
Pforte dünkt einem Bettler eine günstige Gelegenheit, Almosen zu 
heischen. Der Tempelgang Mariens, die Beschneidung Christi führt 
uns treffliche Charaktertypen vor die Augen; auch hier endlich giebt 
sich Dürers Behagen am reichen landschaftlichen Hintergrunde kund. 
Das Marienleben ist das erste Meisterwerk Dürers, welches er auch 
in späteren Jahren noch gern mit stolzem Bewusstsein verschenkte. 
Hat es doch zuerst seinen Namen weit über die Grenzen seiner 
Heimat bekannt und berühmt gemacht. Die Thätigkeit im Fache 
des Kupferstiches und Holzschnittes nahm während aller dieser 
Jahre nicht bloss seine Zeit, sondern auch seine künstlerische Kunst 
vorwiegend in Anspruch. Was er als Maler leistete, steht an Zahl, 
insbesondere an Bedeutung gegen die Holzschnitte und Kupferstiche 
weit zurück. Über Dürers Erziehung zum Maler sind wir nicht 
genau unterrichtet. Sicher ist nur, dass ihm die eigentümliche 
Wirkung der Ölfarbentechnik, Schmelz, Weichheit, feine Abtönung 
der Farben lange unerreichbar erschien, und dass er insbesondere 
in jungen Jahren mit Vorliebe Leim- oder Wasserfarben, flüssig 
auf Pergament oder Leinwand aufgetragen, gebrauchte. Er lässt 
die genaue Vorzeichnung überall durchblicken, die scharf gezogenen 
dunkeln Umrisse nicht unter der Farbe verschwinden, giebt häufig 
nur durch Färbung in der Lebendigkeit und sinnlichen Wirkung 
gesteigerte Zeichnungen. In Leimfarben auf Leinwand gemalt tritt 
uns das Selbstporträt aus dem Jahre 1493 und das mehrere Jahre 
später gemalte Bildnis des Kurfürsten Friedrich des Weisen (Ber- 
liner Museum) entgegen, ferner der gleichfalls noch in den neunziger 
Jahren geschaffene Dresdener Altar, das hervorragendste Werk 
kirchlicher Natur, welches wir aus Dürers Jugendzeit besitzen. Nach 
üblicher Sitte zerfällt der etwas über I m hohe, ursprünglich in der 
Wittenberger Schlosskirche aufgestellte Altar in eine Mitteltafel 
ınd zwei Flügel. Das Mittelbild zeigt uns innerhalb eines Stein- 
rahmens auf der Brüstung das schlafende Christuskind. Ein winzig 
kleiner Engel, ein wahrer Zwerg, steht auf der Brüstung und wehrt 
mit einem Wedel die Fliegen ab, hinter der Brüstung erblickt man
	        
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