Offenbar grübelte Dürer viel über die unerhörte Krankheit.
Nach der Heimkehr zeichnete er sich nach dem Spiegel. (Bremer
Kunsthalle.) Er steht bis an die Hüfte nackt da und zeigt mit der
Rechten nach einem runden gelblichen Fleck in der Nierengegend.
Von seiner eigenen Hand steht beigeschrieben: „Da, wo der gelbe
Fleck ist und mit dem Finger darauff dewt, da ist mir weh.‘“ Mit
Wehmut nimmt man die kleine, leicht kolorierte Zeichnung (L. 130)
in die Hand. Die Züge sind wohl noch kenntlich geblieben, aber
die Ähnlichkeit dient nur dazu, die Verheerung des schönen Kopfes
durch Krankheit noch deutlicher zu machen. Das einst so reiche
Lockenhaar hängt in einzelnen Strähnchen herab, der Bart ist buschig
veworden, die Wangen eingefallen. Nur die Augen bewahren noch
den alten Glanz. Und noch war er nicht an der Grenze seines
Leidens angekommen. Wenn wir einem Holzschnitt, der bald nach
Dürers Tode herauskam, trauen dürfen, so war er in der That
zuletzt ganz ausgedörrt „wie eine Schaube‘“ ein wahres Bild des
Erbarmens. Sein Tod am 6. April 1528 in beinahe vollendetem
siebenundfünfzigsten Jahre konnte daher die Freunde nicht un-
erwartet treffen, wenn sie auch der plötzliche Eintritt, wie es scheint,
ohne vorangegangener heftige Krankheit, überraschte.
Ein längeres Leben hätte den von Dürer hinterlassenen künst-
lerischen Schatz schwerlich vermehrt. Der Tausch des Malerkittels
gegen den Gelchrtenrock war endgültig vollzogen. Wir dürfen uns
daher rühmen, Dürers Werk vollendet zu besitzen nicht bloss in
dem Sinne, dass wir seine Thätigkeit Jahr für Jahr bis zum Tode
verfolgen können, sondern auch in dem tieferen Sinne, dass wir
in der Summe seiner Werke die stetige Entwickelung der künst-
lerischen Natur bis zur Meisterschaft erblicken. Die zeitlich ge-
ordnete Aufzählung der Stiche, Schnitte und Zeichnungen bildet
eine förmliche Geschichte seiner Phantasie. Welch wunderbare,
scheinbar oft wirr laufende Entwickelung hat er nicht seit seiner
Jugend durchgemacht! Als wahrer Künstler hielt er die Augen
offen, lässt Natur und fremde Arbeiten auf sich einwirken. Aber
niemals wird er auf die Dauer von den letzteren abhängig, be-
harrt er eigenwillig bei der einmal angetretenen Richtung.
In seiner Jugend blickt er verwundert zu Jakob de’ Barbari
und zu Mantegna empor. Dennoch ist er weder der Schüler des
einen noch des andern geworden. Die Freude an der Feinmalerei,
welche man auf Jakobs Beispiel zurückführen könnte, bildet keinen
wesentlichen Zug in seinen gereiften Werken. Mantegna lauscht