Volltext: Albrecht Dürer

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derung zu. Trotzdem bleiben die beiden Stiche sein persönliches 
Eigentum. Stoff und Anstoss empfing er von aussen, die Form 
schuf er selbständig. 
Wir besitzen vom Hicronymus im Gehäus und von der Melan- 
cholie leider keine vorbereitenden Entwürfe, wie sie für den christ- 
lichen Ritter nachgewiesen wurden. Die eingehende Betrachtung 
der beiden Blätter lehrt uns aber die Thatsache kennen, dass hier 
sleichfalls technische Probleme, Formstudien in hervorragender 
Weise die Phantasie bestimmten. Wie Dürer im christlichen Ritter 
von einer Normalfigur den Ausgangspunkt nahm, so bestimmt und 
bedingt in Hieronymus und in der Melancholie die perspektivische 
Wissenschaft und die Lichtberechnung den künstlerischen Eindruck. 
Den h. Hieronymus hat Dürer öfter dargestellt, nicht bloss büssend 
und betend, sondern auch schreibend. Doch nur der Hieronymus 
im Gehäus übt dank der gewählten Beleuchtung, der wohl erwogenen 
Anordnung der Szene eine poetische Wirkung. In dem Sonnen- 
lichte, welches den ganzen Raum erfüllt, den Kopf des Heiligen 
verklärt, allen Hausrat, die Wände und die Decke in milden Schimmer 
hüllt, spiegelt sich die Seelenruhe und der ungetrübte Friede des 
frommen Schreibers ab. Erst durch diese Mittel kommt Stimmung 
in das Bild; erst durch die Stimmung aber wird in der Scele des 
Betrachters die richtige Empfindung geweckt. Wie sehr Dürer von 
der Wichtigkeit der Beleuchtung durchdrungen war, zeigt die von 
Ihm angewandte Stichtechnik. Ein feiner, silbergrauer Ton über- 
zicht das ganze Blatt, schroffe Gegensätze von Licht und Schatten 
werden vermieden, innerhalb enger Grenzen aber eine Fülle zarter 
Übergänge ausgegossen. Der Stich des Hieronymus besitzt durch- 
aus ein malerisches Gepräge und macht auch aus diesem Grunde 
wie in Dürers Entwickelung, so auch in der Geschichte des Kupfer- 
stiches Epoche. 
Harmonische sonnige Beleuchtung bildet im Hieronymus die 
Brücke, um die gesuchte Seelenstimmung zu erreichen. Damit war 
auch schon der Weg zur’ künstlerischen Verkörperung des Gegen- 
bildes, der Melancholie, gegeben. Dürer besass nicht die leichte 
satirische Ader des Erasmus. Es lag ihm daher fern, das auf- 
todernde Feuer des Wissensdranges zu verspotten, die Leidenschaft 
des Forschens als Eitelkeit zu verlachen, Ihm war cs mit der Lr- 
kenntnis der Wahrheit, der Erweiterung der Kenntnisse’ heiliger 
Ernst. Er verwandelt daher den Weisheitsnarren in einen Genius, 
welcher emnorfliesen möchte bis an die Grenzen der fassbaren
	        
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