24
Selbstbekenntnisse Dürers: „Ach wie oft sehe ich grosse Kunst
und gute Dinge im Schlafe, dergleichen mir wachend nicht vor-
kommen.“ Als Träumer giebt er sich zu erkennen, als Träumer
gilt er den Freunden. Wie passt es aber zu dem wissenschaft-
lichen Zuge in seiner Natur und zu seinem Rufe als echtem Sohne
Nürnbergs, der Stadt der Mathematiker, welcher an der Umwand-
lung eines Viereckes in ein Dreieck von gleichem Flächeninhalt
und ähnlichen Problemen angeblich das grösste Interesse nahm?
Der Widerspruch wäre schwer zu lösen, müssten wir glauben, dass
in Dürers Träumen alle klaren Gedanken sich verflüchtigten, alle
festen Gestalten ineinander flossen, und in nebelhaften Formen sich
auflösten. Dürer sagt aber, dass er in seinen Träumen „grosse
Kunst“ schaute. Das war nur möglich, wenn die Gefühle gegen-
ständlich blieben, greifbare Umrisse zeigten, sich auch sinnlich
fassen liessen. Ein Traumgesicht, aus dem Jahre 1525, hat Dürer
selbst ausführlich geschildert. „Ich habe im Schlafe diese Er-
scheinung gesehen, wie viele grosse Wasser vom Himmel fielen;
und das erste traf das Erdreich ungefähr vier Meilen von mir mit
einer solchen Furchtbarkeit und übergrossen Geräusch und Zer-
spritzen und ertränkte das ganze Land. Dann fielen die anderen
Wasser; die waren fast gross und sie fielen einige weiter, einige
näher und sie kamen so hoch herab, dass sie scheinbar gleich lang-
sam fielen. Aber da das erste Wasser, das das Erdreich traf, schier
herbeikam, fiel es mit solcher Geschwindigkeit, mit Wind und
Brausen, dass ich so erschrak, als ich erwachte, dass mir all mein
Leichnam zitterte und ich lange nicht recht zu mir kommen konnte.‘“
Dieses Traumbild illustriert Dürer. Die Ambraser Sammlung in
Wien besitzt eine flüchtig kolorierte Zeichnung, in welcher die ge-
waltigen vom Himmel stürzenden Wassermassen, insbesondere das
bergähnliche „erste Wasser‘ und das weithin überschwemmte Land
flüchtig aber doch wirkungsvoll wiedergegeben sind. Der Gegen-
stand des Traumes ist absonderlicher Art, durch Steigerung natür-
licher Eindrücke in der Seele des Schlummernden lebendig ge-
worden. Er darf als Eigentum des letzteren gelten, bewahrt aber
doch den Schein des Wirklichen oder in der wirklichen Welt
wenigstens Möglichen; die künstlerische Phantasie vermag ihn,
wie das angeführte Beispiel zeigt, in anschauliche Formen zu
kleiden.
Wenn Dürer im Schlafe „grosse Kunst‘ schaute und selbst
die Traumgebilde seine Beschäftigung mit der Kunst verraten, so