Volltext: Albrecht Dürer

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Selbstbekenntnisse Dürers: „Ach wie oft sehe ich grosse Kunst 
und gute Dinge im Schlafe, dergleichen mir wachend nicht vor- 
kommen.“ Als Träumer giebt er sich zu erkennen, als Träumer 
gilt er den Freunden. Wie passt es aber zu dem wissenschaft- 
lichen Zuge in seiner Natur und zu seinem Rufe als echtem Sohne 
Nürnbergs, der Stadt der Mathematiker, welcher an der Umwand- 
lung eines Viereckes in ein Dreieck von gleichem Flächeninhalt 
und ähnlichen Problemen angeblich das grösste Interesse nahm? 
Der Widerspruch wäre schwer zu lösen, müssten wir glauben, dass 
in Dürers Träumen alle klaren Gedanken sich verflüchtigten, alle 
festen Gestalten ineinander flossen, und in nebelhaften Formen sich 
auflösten. Dürer sagt aber, dass er in seinen Träumen „grosse 
Kunst“ schaute. Das war nur möglich, wenn die Gefühle gegen- 
ständlich blieben, greifbare Umrisse zeigten, sich auch sinnlich 
fassen liessen. Ein Traumgesicht, aus dem Jahre 1525, hat Dürer 
selbst ausführlich geschildert. „Ich habe im Schlafe diese Er- 
scheinung gesehen, wie viele grosse Wasser vom Himmel fielen; 
und das erste traf das Erdreich ungefähr vier Meilen von mir mit 
einer solchen Furchtbarkeit und übergrossen Geräusch und Zer- 
spritzen und ertränkte das ganze Land. Dann fielen die anderen 
Wasser; die waren fast gross und sie fielen einige weiter, einige 
näher und sie kamen so hoch herab, dass sie scheinbar gleich lang- 
sam fielen. Aber da das erste Wasser, das das Erdreich traf, schier 
herbeikam, fiel es mit solcher Geschwindigkeit, mit Wind und 
Brausen, dass ich so erschrak, als ich erwachte, dass mir all mein 
Leichnam zitterte und ich lange nicht recht zu mir kommen konnte.‘“ 
Dieses Traumbild illustriert Dürer. Die Ambraser Sammlung in 
Wien besitzt eine flüchtig kolorierte Zeichnung, in welcher die ge- 
waltigen vom Himmel stürzenden Wassermassen, insbesondere das 
bergähnliche „erste Wasser‘ und das weithin überschwemmte Land 
flüchtig aber doch wirkungsvoll wiedergegeben sind. Der Gegen- 
stand des Traumes ist absonderlicher Art, durch Steigerung natür- 
licher Eindrücke in der Seele des Schlummernden lebendig ge- 
worden. Er darf als Eigentum des letzteren gelten, bewahrt aber 
doch den Schein des Wirklichen oder in der wirklichen Welt 
wenigstens Möglichen; die künstlerische Phantasie vermag ihn, 
wie das angeführte Beispiel zeigt, in anschauliche Formen zu 
kleiden. 
Wenn Dürer im Schlafe „grosse Kunst‘ schaute und selbst 
die Traumgebilde seine Beschäftigung mit der Kunst verraten, so
	        
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