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Rom, Ferrara und Venedig hatte ihn zu einer Höhe der
Bildung geführt, die in Deutschland ihres Gleichen suchte,
Aber man darf sich in diesem Gelehrten zunächst-keinen hu-
manistischen Schöngeist, Schriftsteller oder Schulmeister vor-
stellen, er weicht vielmehr völlig von dem Typus derjenigen
Männer ab, die thatsächlich der neuen Bildung in Deutsch-
land Eingang verschafften; man mag ihn eher mit Gregor
Heimburg vergleichen, weil auch er nur zwei Sondergebiete
der neuen Bildung mit Eifer anbaut. Treibt Heimburg
Rhetorik und Geschichte im Interesse der Politik, so widmet
sich Regiomontan dem Griechischen und der antiken Physik,
um dadurch seine modernen naturwissenschaftlichen Be-
strebungen zu fördern. Er gilt als der erste hervorragende
Graecist in Deutschland und hat seine Studien in der
Schule der italischen Hellenistik gemacht; es ist ein wichtiger
Teil seines Lebensplans, die antiken naturwissenschaftlichen
Arbeiten wieder allgemein zugänglich zu machen; freilich
interessierte er sich daneben auch für naturwissenschaftliche
Schriften des Mittelalters und des Orients, und es fehlt mir
an der nötigen Fachkenntnis, um ein Urteil darüber abzu-
geben, ob seine eigenen grossen Leistungen thatsächlich
als ein Ergebnis der humanistischen Bewegung zu bezeichnen
sind. Wie wenig regen Sinn er daneben für die eigent-
lichen Prachtleistungen der Antike und des Humanismus
besass, das zeigt das Inventar seines litterarischen Besitzes,
das lange nach seinem Tode im Jahre 1519 aufgenommen
wurde”): lauter mathematische und naturwissenschaftliche
Schriften, dazu eine nicht kleine Anzahl griechischer
1) Vgl. Petz a. a. 0. Freilich war ein Teil der Hinterlassenschaft
kurz vor der Aufnahme des Inventars verkauft worden (unter den
Käufern erscheint auch W. Pirckheymer); aber man darf vielleicht aus
dem Umstand, dass die von Pirckheymer erstandenen Manuskripte (vgl.
Murr, Notitia trium codicum, 1801, 8. 7 ff.) wesentlich naturwissenschaft-
lichen Inhalts waren, schliessen, dass es eben nichts anderes zu kaufen gab.