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zogen worden sein, dass er hier das Centrum eines neu
sich bildenden Humanistenkreises werden könnte: waren
doch eben damals verschiedene von den Italienfahrern nach
Hause zurückgekehrt: Pirckheymer, Schütz und vor allem
Hermanns geliebter Verwandter Hartmann Schedel. In
dieser Hoffnung aber ward Hermann bitter enttäuscht.
Wir sahen, wie rasch jene kleine Schar zerstob; nur Schütz
blieb, und mit ihm hat Hermann Schedel denn auch weiter
Verkehr gehalten, Wie entschieden er selbst in den Bann
Jes mittelalterlichen Geistes geriet, der in Nürnberg herrschte,
wie sehr er ihm auf Kosten des bisher extrem vertretenen
Humanismus seinen Tribut zahlen musste, das zeigt eine,
wie mir scheint, interessante Beobachtung, die zunächst
nur auf etwas Äusserliches geht, bei dem Wert aber, den
der Frühhumanismus dieser Schule solchen Formalitäten
beilegt, doch eine tiefinnere Bedeutung hat. Es handelt
sich um die Anredeform in den Briefen. Das antike ‘“DwW
war mit dem Beginn des Mittelalters dem ‘Ihr’ gewichen:
‘nobilis vofitatur’. Das Du spielte nur noch im allerintimsten
Verkehr und wo es sich um Beziehungen sehr hochstehender
Personen zu Untergebenen handelte, eine verschwindende
Rolle.*) Hier bemühte sich nun der Frühhumanismus
entschieden zum antiken Gebrauch zurückzukehren, und
bei der Wichtigkeit der Epistolographie wurde das ‘Du’
förmlich zu einem humanistischen Bundeszeichen; gewisse
Schranken errichtete nur das hierarchische System: hoch-
gestellten Geistlichen und wohl auch den Inhabern höchster
Würden wagt man nicht ohne weiteres das gebührende
Ihr’ zu entziehen, und auch sonst meint man sich einer
angesehenen Persönlichkeit des humanistischen Duzens
wegen erst entschuldigen zu müssen: *. . , miraturum forfan
fe timeo, quenam audacia, ymmo Docius Prefum„PCLO Menti mee
i) Vgl. Steinhausen, Geschichte des deutschen Briefes 1. S. 45f.