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1) Die Energiesumme der gelösten Teilchen pro Flächeneinheit ist
ebenso grofs, als die der entsprechenden Gasteilchen bei derselhen
Temperatur.
Der Raum von Lösung und Gas ist der Voraussetzung nach der
gleiche, wie auch die Anzahl der gelösten Teilchen und der Gas-
teilchen dieselbe ist.
Die im Gas und den gelösten Teilchen enthaltene Energie ruft durch
ihre Gleichheit bei Einnahme gleichen Raumes auch gleichen Druck
hervor.
Bei der zwischen einer Lösung und dem reinen Lösungsmittel statt-
findenden Osmose wird der gesamte Druck des Lösungsmittels auf
beiden Seiten der Membran weggenommen, da ja das Lösungsmittel
dieselbe ungehindert passieren kann. Dabei wird vorausgesetzt, dafs
die Membran für die gelösten Teilchen absolut undurchlässig ist und
daher deren ganzen Druck erkennen läfst, ferner, dafs der vom Lös-
ungsmittel ausgefüllte Raum für die Entwickelung des Druckes der
in Lösung gegangenen Teilchen als leer anzusehen ist; denn die ge-
\östen Teilchen besitzen, ihrer Temperatur entsprechend, bestimmte
Energie. Je kleiner daher der Raum ist, den sie einnehmen, desto
gröfser ist der Druck auf ihre Umgebung, nämlich die Wasserteilchen,
und diese wieder pflanzen den Druck so fort, dafs er auf das ganze
Volumen der Lösung einwirkt, sich daher der Volumvergröfserung
entsprechend verkleinert.
Da nun Druckvergröfserung und Druckverkleinerung beide derselben
Gröfse, dem Volumen, proportinonal sind, mufs auch der Druck, den die
zelösten Teilchen ausüben, gleich ihrem entsprechenden Druck in Gasform
sein, und hieraus ergiebt sich auch ganz ungezwungen, warum der osmo-
tische Druck gasähnlich mit der Temperatur ansteigt. Wenn nämlich das
osmierende System eine Temperaturerhöhung von 1° C. erfährt, so steigert
sich die Energie der gelösten Teilchen wie bei einem Gas; der Druck von
aufsen ändert sich — ebenso wie das Volumen — im Verhältnis zu seiner
Gröfse nur geringfügig, so dafs die Temperaturerhöhung eines osmierenden
Systems mit der Erwärmung eines Gases bei gleichbleibendem Volumen
übereinstimmen mufs. Die Volumvergröfserung hat auf die gelösten Teil-
chen nur einen geringen Einflufs, da sich solche nur ganz vereinzelt vor-
finden und daher im gleichen Volumen, nach wie vor, nahezu gleich viel
Teilchen in Lösung sein werden.
Bisher waren es lediglich kinetische Vorgänge, die in Betracht gezogen
wurden, bei dem natürlichen Vorgang tritt aber eine weitere Kraft, nämlich
die Anziehung der Teilchen, in Wirksamkeit, und gerade diese wurde in
letzter Zeit gänzlich über Bord geworfen.
Taucht man ein Gefäfs mit halbdurchlässigem Boden und gefüllt mit
wässeriger Zuckerlösung in reines Wasser, so wird zunächst die Membran
zegen das reine Wasser zu aufgebaucht, die gelösten Zuckerteilchen aber.
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