Besondere Fürsorge und Wohlfahrtspflege.
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Leistungsfähigkeit der Unterhaltspflichten wurde in weitem Maße durch die Teuerung
und deren Folgen herabgemindert; der weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung hatte
schwer zu kämpfen, um nur den Nahrungsstand seiner Familie im engsten Sinne einigermaßen
zu sichern. Von Tag zu Tag stieg die Not und in verstärktem Maße kam der Strom derer,
die fortlaufende oder einmalige Hilfe benötigten. Es bewährte sich sehr, daß für alle
Bedürftigengruppen, für Sozialrentner und Kleinrentner, Kinderreiche und alle sonstigen
Bedürftigen schon seit 1921 eine besondere Kriegsfolgenhilfe geschaffen war, die eine Familien—
fürsorge darstellte. Die hierfür aufgestellten Richtlinien lehnten sich an die Bestimmungen
des Notstandsmaßnahmengesetzes für Sozialrentner und an jene des Kleinrentnergesetzes an.
Die Richtlinien der Kriegsfolgenhilfe galten auch bei der Armenpflege mit Ausnahme der
Höchstsätze, welche bei der Armenpflege etwas niedriger sind. Diese Unterstützungshöchstsätze
wurden in kurzen Zeitabständen unter Berücksichtigung der vom hiesigen Statistischen Amt
errechneten Mindestkosten der Lebenshaltung in Nürnberg und ab 1. September 1923 unter
Beiziehung der wöchentlich veröffentlichten Reichsrichtzahlen neu festgesetzt.
Die Unterstützungssätze der Kriegsfolgenhilfe betrugen im April 1923 für eine allein—
stehende Person mit eigenem Haushalt 24000 Papiermark für eine alleinstehende Person
im Haushalt unterhaltspflichtiger Verwandter 16000 Papiermark, für ein Ehepaar ohne
Kinder oder zusammenlebende Geschwister 40000 Papiermark und für ein Kind 16000 Papier—
mark monatlich. Entsprechend der Geldentwertung mußten die Unterstützungshöchstsätze im
Laufe des Berichtsjahres 185mal erhöht werden. Nach Eintritt der Mark-Stabilisierung erhielt
im März 1924 eine alleinstehende Person mit eigenem Haushalt 22 Mark, eine alleinstehende
Person im Haushalt unterhaltspflichtiger Verwandter 17,60 Mark, für ein kinderloses
Ehepaar oder zusammenlebende Geschwister 33 Mark als Höchstsatz. Die Kindersätze betrugen
für das 1. mit 3. Kind je 6,60 Mark und für jedes weitere Kind 4,40 Mark monatlich.
Die Unterstützungen wurden halbmonatlich im voraus, in den letzten Monaten des Jahres
1923 sogar wöchentlich ausbezahlt, um den Bedürftigen das Geld möglichst nicht entwertet
in die Hände zu geben.
Zur Erleichterung der Unterstützungsberechnungen anläßlich der Anpassung der Höchstsätze
an die Geldentwertung erfolgte ab Oltober 1923 die Einführung von Grundzahlen (Zehntel—
system). Dabei wird jede Unterstützung mit dem gewährten Zehntel des Höchstsatzes auf der
Zahlkarte vermerkt. Aus der von der Zentrale des Wohlfahrtsamtes bei jeder Unterstützungs—
erhöhung durch Druck vervielfältigten Tabelle konnten dann ohne weiteres die neuen zur
Auszahlung gelangenden Barbeträge entnommen werden. Trotz der vielen Tausenden von
Unterstützungsfällen war es möglich, innerhalb kürzester Frist Umrechnung und Auszahlung
der Unterstüßungen durchzuführen, was bei der rasenden Geldentwertung von nicht zu unter—
schäßender Bedeutung war.
Neben Barunterstützungen wurden Kleidung, Schuhe, Schuhreparaturen, Wäsche, Brenn—
material, Arzt- und Heilmittelfreiheit, Krankenpflege und Krankenpflegegerätschaften, Nahrungs—
mittel (Brot, Mehl, Fett, Reis, Grieß usw.) gewährt. Es wurde auch in geeigneten Fällen
versucht, den Bedürftigen mit Hilfe des städtischen Arbeitsamts Arbeit und Verdienst zu schaffen.
Wohnungsmißstände wurden im Benehmen mit dem stöädtischen Wohnungsamt zu
beheben versucht. In manchen Fällen wurde die Wohnung auf Kosten der Fürsorge getüncht.
Der im Vorjahre eingeführte Brennstoffoerbilligungszuschuß (Gasverbilligung) wurde
auch im Berichtsjahre gewährt; er kam ab 1. August in Wegfall, weil die Unterstützungssätze
entsprechend höher festgesetzt wurden. Dieser Zuschuß betrug in den Monaten April und Mai
monatlich 4000 Papiermark, für Alleinstehende und 6000 Papiermark für Ehepaare und
Alleinstehende mit Kindern; für Juni erfolgte eine Erhöhung um 50 o und im Juli gelangten
20000 Papiermark bezw. 30000 Papiermark zur Auszahlung.