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Heimatlose, blieb unvertrieben, heimatberechtigt. Sie
durfte absterben da oben in ihrer kleinen Stube.
Wie immer eifrig das feine Linnen stopfend,
saß sie. So würde sie sitzen, bis ihr einst die
Nadel für immer entfallen würde. Sie würde noch
Josephs Kinder behüten, würde ihnen noch die
sfranzöfische Sprache beibringen, sie würde das einzige
lebende Band im Haus bleiben, das die beiden
Beschlechter verbinden würde — Anne konnte nichts
anderes glauben und denken.
„Eh bien, chérie!“ Mademoiselle nickte Anne
freundlich zu.
„Ach, Mademoiselle, Sie haben's gut.“ Anne
setzte sich aufseufzend neben den Nähtisch des alten
Fräuleins. „Sie bleiben unvertrieben, nichts rührt
Sie, nichts treibt Sie und hetzt Sie! Sie sind glücklich
und zufrieden!“
Mademoiselle hatte aufmerksam gelauscht, jetzt
nickte sie. „Ick sein serr zufrieden, Anne, daß ick
kann fitzen so still. Aber es war nit immer so —
nit immer. Kommt mit das Alter — aber ob es
bleibt?“
„Ach, Mademoiselle, was könnte Sie noch
stören.“
„Was makt Eiserbahn?“ fragte Mademoiselle
hastig und neugierig.
„O, das geht vortrefflich. Vater ist sehr zu—
frieden trotz aller Widersacher.“
„Ah, 6é6coutez, Eiserbahn wird mich stören.“
„Aber Mademoiselle, Sie?“
„Ja, ja, mir — Monsieur hat mir erklärt
ganz deutlik auf großen Plan, wie Eiserbahn wird
gehen, über der ganze Land — Deutschland erst
— schließlik über Grenze à Paris, pensez à Paris!“