Objekt: Verwaltungsbericht der Stadt Nürnberg für das Jahr 1915 (1915 (1918))

Polizeiverwaltung 
4. Sittenpolizei. 
Personal. Der Krieg hat im August und Anfang September 1914 das gesamte 
Personal der Sittenpolizei für den Außendienst zu den Fahnen gerufen. Der Außendienst 
eine Hauptaufgabe der Sittenpolizei — hatte damit völlig aufgehört. Die nachteiligen 
Folgen hiervon machten sich alsbald bemerkbar. Als daher am 11. Februar 1915 der nicht für 
felddienstfähig befundene Wachtmeister auf diesseitiges Ansuchen aus dem Militärdienste 
entlassen war, wurde ihm, um den notwendigen Fahndungsdienst einigermaßen wieder auf— 
nehmen zu können, am 4. März versuchsweise ein Wachmann aus bürgerlichem Berufe als 
Begleiter beigegeben. Doch dieser mußte bereits am 15. April zum Heeresdienst einrücken. 
Dafür wurde am 17. Juni ein nur garnisondienstfähiger Schutzmann ebenfalls auf dies— 
seitiges VBerwenden vom Militärdienst befreit und nun erst konnte, nachdem am 209. August noch 
ein Wachmann zum Begleitdienst zugezogen war, wenigstens notdürftig wieder ein regel⸗ 
mäßiger Außendienst beginnen. 
Maßnahmen. Bereits im letzten Berichte (S. 93) ist die Entschließung des Kgl. 
Staatsministeriums des Innern vom 6. April 1912 erwähnt, welche die seit 1876 mit günstigem 
Erfolge bestehende zwangsweise Stellung unter sittenpolizeiliche Aufsicht für die Zukunft 
untersagt. Die dadurch entstandene Lücke in der Reihe der Mittel zur Bekämpfung der 
Geschlechtskrankheiten hatte sich schon im Frieden in sehr unerwünschter Weise fühlbar ge— 
macht. Während der Kriegszeit mußte dem unbedingt Einhalt getan werden, und wenn die 
zwangsweise Stellung notorischer Dirnen unter Sittenpolizeiaufsicht an sich auch keine ideale 
Maßnahme zu nennen ist, so tritt sie doch, wie kaum eine andere, der Verbreitung von Ge— 
schlechtskrankheiten entgegen. Deshalb erließ das Generalkommando des Kgl. Bayerischen 
III. Armeekorps am 27. Juli die Anordnung, daß für die Dauer des Kriegszustandes weibliche 
Personen, die der gewerbsmäßigen Unzucht genügend überführt sind, zwangsweise der regelmäßigen 
Sittenkontrolle zu unterstellen und den üblichen Vorschriften über die sittenpolizeiliche Kontrolle, 
deren wichtigste die regelmäßige Untersuchung auf geschlechtliche Erkrankung ist, zu unter— 
werfen sind. Der Stadtmagistrat sah sich weiterhin veranlaßt, am 9. November den unter 
Sittenaufsicht stehenden weiblichen Personen in der Zeit von 7 Uhr abends bis 3 Uhr morgens 
das Betreten verkehrsreicher, im Stadtinnern gelegener Straßen und Plätze und der Bahn— 
höfe zu verbieten. Beide Vorschriften haben sich bewährt. Die erstere Anordnung bezweckt 
insbesondere, der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten zu steuern, die zweite verhindert 
das Auffälligwerden der Dirnen auf den öffentlichen Straßen und Plätzen. Die letztere Ver— 
»rdnung konnte nur erlassen werden, nachdem die erstere bestand. Ohne diese hätten sich 
biele der Dirnen, die sich wegen des ihnen sehr lästigen Straßenverbotes freiwillig der Auf— 
sicht unterstellt hatten, einfach derselben wieder entzogen. Die obige Anordnung des General— 
ßommandos ermöglichte es, eine Reihe von Dirnen unverbesserlicher Art wieder unter Kontrolle 
zu stellen und weiterhin andere darunter zu halten, welche die bequeme Gelegenheit der 
Kriegstrauung mit ihren Zuhältern benutzend, ihre Verheiratung als Grund angeblicher 
Besserung vorgeschützt haben, um sich der Aufsicht zu entziehen. 
Im Vollzuge einer Kriegsministerialentschließung vom 19. August 1915 hat das stell— 
bertretende Generalkommando Nürnberg aus disziplinaren und sanitären Gründen das 
Militärverbot über 8 nicht im guten Rufe stehende Wirtschaften verhängt. 
Hervorgehoben sei hier noch die ordnungspolizeiliche Maßnahme, nach welcher der 
Stadtmagistrat im Hinblick auf den Ernst der Zeit schon am 4. August 1914 in Aufhebung 
der ortspolizeilichen Vorschrift vom 6. Mai 1908 die bisher auf 2 Uhr nachts bestimmte 
Polizeistunde auf 12 Uhr zurückgesetzt hat. Zugleich wurden öffentliche Tanzmusiken, sodann 
vom 5. Mai 1915 ab Musik-, Gesangs- und Komikeraufführungen an Kirchweihen verboten. 
Die Vereine haben, der Zeit Rechnung tragend, Tanzunterhaltungen freiwillig unterlassen,
	        
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