Metadaten: Bauernfeind, Michael: Dritter Theil der Grundrichtig Zierlichen Schreib-Kunst – Nürnberg, STN, Cent. V, App. 34o = Einbd. 13

Auf dem Luginsland. 
Sanftmut, seine alle seine Umgebungen anziehende Herzlichkeit und 
Gutmütigkeit, in der er anfangs immer nur mit Thränen und jetzt, 
nach eingetretenem Gefühl der Freiheit, mit Innigkeit selbst seines 
Unterdrückers gedenkt, die zuerst in heißer Sehnsucht () nach seiner 
Heimat, seinem Kerker und seinem Kerkermeister bestandene, dann 
aber in wehmütige Erinnerung übergegangene und erst jetzt durch 
liebevolle Behandlung allmählich verschwindende Anhänglichkeit () 
an das Vergangene, die eben so aufrichtige als rührende Ergebenheit 
an alle diejenigen, welche häufig mit ihm umgehen und ihm Gutes 
erweisen, sein Vertrauen aber auch gegen alle anderen Menschen, 
seine Schonung des kleinsten Insekts, seine Abneigung gegen alles, 
was einem Menschen oder Tier nur den leisesten Schmerz verursachen 
könnte, seine unbedingte Folgfamkeit und Willfährigkeit zu allem 
Guten eben so sehr als seine Freiheit von jeder () Unart und Un— 
tugend, verbunden gleichwohl mit der Ahnung dessen, was böse ist 
und endlich seine ganz außerordentliche Lernbegierde, durch die er 
mit Hülfe eines eben so schnell fassenden als treuen Gedächtnisses 
seinen Wörter-Vorrat, der anfangs kaum in 50 Wörtern bestand, 
bereichert und bereits Vorstellungen und Begriffe von vielen Gegen— 
ständen — deren er außer denen, welche in seinem Kerker waren, 
keine ()) kannte — und jetzt auch von Zeit und Raum erlangt hat, 
seine ganz besondere Vorliebe für die ihm früher ganz (7) unbekannt 
gewesene Musik und das Zeichnen, seine Neigung und Geschicklichkeit, 
beide zu erlernen, und seine ganz ungemeine Ordnungsliebe und 
Reinlichkeit — so überhaupt sein ganzes kindliches Wesen und sein 
reines unbeflecktes (s) Innere — diese wichtigen Erscheinungen zu— 
sammen geben in demselben Maße, in welchem sie seine Angaben 
über seine widerrechtliche Gefangenhaltung unterstützen und bekräftigen, 
die volle Ueberzeugung, daß die Natur ihn mit den herrlichsten () 
Anlagen des Geistes, Gemüts und Herzens reich ausgestattet hat. 
Sie berechtigen aber auch eben deshalb und bei genauer Prüfung 
des sich durchaus als unwahrscheinlich und erdichtet darstellenden 
Inhalts des (oben S. 12) abgedruckten Briefs zur dringenden Ver— 
mutung, daß mit seiner widerrechtlichen Gefangenhaltung das nicht 
minder schwere Verbrechen des Betrugs am Familienstande verbunden
	        
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