IV. Die zwölf argen königin.
,
Seit Boccaccios „de claris mulieribus“ und Petrarcas
„de viris illustribus“ waren: Zusammenstellungen historisch be-
kannter Persönlichkeiten nach ihren berühmten oder berüch-
tigten Thaten, wie solche im Altertume schon Valerius Maxi-
mus gegeben hatte, nichts Seltenes mehr und das sechzehnte
Jahrhundert, wo die Poesie so gern das Gewand der Sittenpre-
digerin anzog, bemächtigte sich dieser Manier zu didactischen
Zwecken mit besonderer Vorliebe. Man verfasste Tugendspie-
gel, Ehren- und Schandenpforten, in denen man die Beispiele
auffallenden Glückes und herben Unglückes sammelte, oder die
bekannten Gestalten aus Geschichte und Dichtung nach ihren
hervorragenden guten oder bösen Charaktereigenschaften zu-
sammenstellte. Zur Vermehrung und Pflege dieser Literatur
trägt auch unser Dichter mit seinen moralischen Tendenzen
ein gut Teil bei, Keineswegs nahm er jedoch diese Zusammen-
stellungen in seinen Mg., Sp. und Dramen immer selbst vor,
vielmehr entnahm er sie auch oft aus Vorlagen; wann das Eine
oder das Andere geschah, muss von Fall zu Fall entschieden
werden, Manchmal erkennt man an dem Stoffe die Entstehungs-
weise direct, so bei dem „Ehren spiegel der zwölf durchleuch-
tigen frawen des alten testaments“ Keller 1, 203, die Reihen-
folge der Frauen bei Hans Sachs deckt sich mit der Reihen-
folge der ihnen gewidmeten Capitel im ‚alten Testament: Eva
Genesis 3, Sara Gen, 14. Rebecca Gen, 25 u. s. w. Ebenso