Volltext: Verwaltungsbericht der Stadt Nürnberg für die Jahre 1913 und 1914 (1913/14 (1917))

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Gemeinnützige Anstalten, Armenwesen und Wohltätigkeit 
Neben der Sorge für die Unterhaltsbeschaffung oblag dem Berufvormund als 
weitere wichtige Aufgabe die Leitung der Erziehung und Pflege seiner Mündel 
Als Hilfskräfte unterstützten ihn hierbei hauptsächlich die Waisenräte, Waisenpflegerinnen 
ferner auch die Polizeipflegerin und die Hauptstelle für Jugendfürsorge. Zum Vollzug von 
Fürsorge-Maßnahmen und Besuchen konnte auch eine bei der Berufsvormundschaft prakti— 
zierende Schülerin des sozialen Frauenheims Augsburg verwendet werden. Da über jedes 
Mündel mindestens einmal im Jahre von den Waisenräten öder deren Helferinnen ein 
schriftlicher Bericht eingeholt wurde, liefen während der letzten 2 Jahre über 4000 Mit— 
teilungen ein. Diese Berichte brachten reichlich Gelegenheit zum Einschreiten und Abhelfen 
Der geschäftliche Verkehr der Berufsvormundschaft mit den Vormund— 
schaftsgerichten erfuhr auch im vergangenen Jahre infolge Mehrung der Mündelzahl 
eine weitere Ausdehnung. Abgesehen davon, daß von der Übernahme jeder Vormundschaft 
dem zuständigen Gericht, (die Zuständigkeit mußte oftmals erst ermittelt werden), vorschriftsgemäß 
Mitteilung gemacht wurde, mußten über 450 900 Erziehungsberichte an die einzelnen 
Vormundschaftsgerichte erstattet werden. Rechnungsberichte über Vermögensverwaltungen 
wurden in 1840 Fällen eingereicht. Zur Anlegung und Abhebung von Mündelgeldern 
bedurfte der Berufsvormund infolge der ihm durch das Gesetz zugestandenen freieren Stel— 
lung nicht der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, wiederholt war diese dagegen zur 
Vornahme von Rechtsgeschäften, hauptsächlich Eingehung von Verträgen, notwendig. Soweit 
der Berufsvormund Erklärungen zu Protokoll des Gerichts abgeben mußte, wie es vor allem 
bei der Zustimmung zum Unterhaltsübereinkommen der Fall ist, war er bezäglich seines Er— 
scheinens vor Gericht dank dem Entgegenkommen der Vormundschaftsrichter an keinen Termin 
gebunden und konnte dadurch gleichzeitig immer mehrere Dienstgeschäfte dort erledigen. In 
allen sonstigen Fällen, wo keine Formvorschrift zu erfüllen war, erfolgten Mitteilung und 
Erklärung seitens des Gerichts wie seitens der Berufsvormundschaft auf schriftlichem Wege 
Die Vormundschaftsgerichte beachteten im Amtsverkehr die Behördenqualität des Berufsvor 
mundes. Daher wurde auch die Stellvertretung desselben im Falle seiner Verhinderung von 
keinem Gerichte gerügt. 
Der Parteienverkehr bei der Berufsvormundschaft ist infolge der 
ständigen Mehrung der Vormundschaften und Mehrung der Bedäürfnisse der Mündel derart 
gestiegen, besonders im letzten Halbjahr, daß die Buregauarbeiten und die gerichtlichen 
Angelegenheiten nicht mehr hätten erledigt werden können, wenn nicht Sprechtage eingeführt 
worden wären. Drei Tage in der Woche (Montag, Mittwoch und Samstag) stehen den 
Parteien für Rücksprachen und Erklärungsabgaben nunmehr zur Verfügung. An den Sprech— 
tagen sind in beiden Berichtsjahren durchschnitlich 70—80 Personen bei Amt erschienen. Die 
Zunahme des Parteienverkehrs sowie die Vergrößerung des Arbeitsfeldes erschwerte die 
Aufrechterhaltung eines geordneten Geschäftsbetriebes, wie er zur Tragung der Verantwortung 
erforderlich ist, umsomehr, als der Krieg einen Personalverlust von mehreren Beamten brachte. 
Das Vorgebrachte wird zu einem Überblick über die Tätigkeit der Berufsvormundschaft 
genügen. Sie war soziale Arbeit für eine Volksgruppe, der Staat und Gesellschaft 
heute mehr denn je lebhaftes Interesse entgegenbringen. Würden doch der Nation viele 
Werte an Volkskraft verloren gehen, wenn sie den Blick nicht auch darauf gerichtet hätte 
die wirtschaftlich schwache Volksschicht der unehelichen Kinder in ihrem Existenzkampfe zu 
stärken. In Verfolgung dieses Zieles hat denn auch unsere Sozialpolitik in fast allen Groß⸗ 
und Mittelstädten Deutschlands die Berufsvormundschaft als vollziehendes Organ erstehen 
lassen und sie mancherorts bereits zum Sammelpunkt öffentlicher Jugendfürsorge ausgebaut 
Waisenhaus. Zu Beginn der Berichtsjahre befanden sich 100106 Zöglinge in 
der Anstalt. Neu aufgenommen wurden 11119 Knaben und 9147 Mädchen. Ausgetreten
	        
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