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Die feurige schwarzlockige Nelly würde das Publikum in Stimm—
ung bringen, hinreißen und das würde der Aufnahme des Stückes
zu gute kommen.
Daß es auch Leute geben könne, die über einem bezaubern—
den Äußern eine mangelhafte Darstellung nicht vergessen, kam
unserem Schwärmer nicht in den Sinn. Auch war er blind
gegen alle Fehler des Stückes, wie der Darstellung. Er hatte
sich Hals über Kopf in die kokette Amerikanerin verliebt, sah
in ihr die Krone aller Schauspielerinnen und fand nichts an
ihrer Auffassung der Rolle zu tadeln.
Aber das Publikum fand zu tadeln. An dem Stück sowohl
wie an der Rünstlerin, die die Sachverständigen nicht durch
allerlei Mätzchen über ihr geringes Talent hinwegtäuschen konnte.
Der erste Akt ließ die Zuhörer ziemlich kalt — keine Hand
rührte sich, als der Vorhang gefallen war. Mit jähem Er—-.
blassen nahm es der Dichter wahr, der bebend vor Erregung
hinter den Koulissen stand.
Mit ihrem stereotypen koketten Lächeln kam Nelly auf ihn
zu und rief: „Puh, was machen Sie für ein Gesicht! Warten
Sie nur ab, der Applaus kommt schon noch, wir haben ja noch
zwei Akte.“ Und sich auf die Sehenspitzen stellend, flüsterte sie
hm zu: Die entzückende Liebesscene im dritten Akt — die muß
gefallen. Ich werde das blaß-blaue Negligé tragen — wissen
Sie — und werde gut darin aussehen . . .“
Heinrich griff hastig nach ihrer Hand und preßte sie an die
Lippen.
„O Nelly, Nelly,“ rief er dann erregt, „spielen Sie gut,
setzen Sie alle Kraft daran — denken Sie an mich, meine
Existenz hängt ja von dem Erfolg des Stückes ab.“
Der zweite Akt begann. Das Publikum schien sich all—
mählig zu erwärmen. Es spendete einem der Darsteller für
einen feurig gesprochenen Monolog bei offener Scene lebhaften
Beifall, von dem der Autor unbedenklich ein gut Teil auf seine
Rechnung setzen konnte. Aber ein wirkungsloser Abschluß verdarb