Volltext: 1828-1833 (1. Band)

—116 Kaspar Haufers Verstellung und Verlogenheit. 
auffallend als die unheilbare Dummheit seiner Umgebung. Diese 
Umgebung besann sich u. a. nicht einen Augenblick darauf, daß 
scharfe Sinne in der Natur ausgebildet werden; daß Blinde die 
Metalle wenigstens betasten müssen; daß ihr Kaspar eine erd— 
graue Gefängnisfarbe hätte haben müssen; daß Gedächtnis und 
Fassungsvermögen Üübung heischen; daß nicht Kaspar in der Dunkel— 
heit, gleichzeitig aber in der freien Natur in die Ferne — daß 
wenigstens nicht auch sein Lehrer durch lebenslängliche Übung „im 
Finstern“ hätte sehen können. Solche elementare Bedenken erregten 
keinen Anstoß. Im Gegenteil, der Glaube versetzte Berge. Kaspar 
lagerte im Kerker bei seinem Nachttopf, im Freien aber konnte er 
eine halbe Stunde weit riechen; in einem finsteren Loche am Boden 
gebunden war er immer gesund, im Freien aber kränklich Rer war 
ein Wunderknabe an Verstand, das Thor seines Einzugs aber kennt 
er nicht (kam er mittels eines Luftballons nach Nürnberg?); ein 
Händedruck lähmte ihn, er ist aber ein guter Reiter; er wird mag⸗ 
netisch fest ans Pferd gezogen, steigt aber richtig auf und ab; Gold 
berührt ihn unangenehm, die Thürklinke aber geniert ihn nicht; 
er riecht zweierlei Weinsorten in verschlossenen Flaschen, nicht 
aber, daß ihm Branntwein statt Wassers gereicht wurde. Und so 
weiter! 
Und jetzt wollen wir aus der umfangreichen Hauserlitteratur 
einen sehr unvollständigen Katalog von Simulationen und Lügen 
unseres Helden zusammenstellen. Wer hier nicht die Verstellung 
durchschauen kann, dem ist nicht zu helfen. 
würdige Geschichte eines Mädchens (A. M. Klinker), das 18 Monate lang ohne 
Speise und Getränke lebte (Hannover, 1800); J. D. Herholdt, Auszüge aus 
den über die Krankheiten der Rachel Herz während der Jahre 1806- 1826 ge⸗ 
führten Tagebüchern (Kopenhagen, 1826). Die von den Ärzten öffentlich ver⸗ 
leidigten Betrügerinnen sind hinterher durch genaue Bewachung entlarvt worden. 
In J. Th. Pyls Repertorium, J. (Berlin, 1789) S. 190 -217 gebiert eine Jüdin 
tagelang Entenfleisch, zuletzt sogar gebratenes. „Dies konnte ich (Dr. med. 
J. F. J . .. n) nun nicht mehr zusammenreimen und sagte zu Hrn. L. (dem 
Kollegen), es müßte hier schlechterdings Betrug sein.“ Dieser Kollege aber „ver⸗ 
mutete vielmehr etwas Übernatürliches“. Ebenso bescheinigten die Ärzte in Nürn— 
berg Kaspars wilde und gebratene Enten.
	        
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