Full text: Berichte über die Bayerische Landes-Industrie-, Gewerbe- und Kunst-Ausstellung zu Nürnberg 1882

82 
IV. Gruppe. 
Arbeiten aus Fellen, Häuten, Leder, Guttapercha und Gummi. 
Von Kommerzienrat und Fabrikdirektor E. Kester. 
Wir wollen die einzelnen Industrien der Gruppe IV uns nach der 
Reihenfolge des Katalogs betrachten und beginnen mit der Pelgwaren- 
Industrie und Kürschnerei, einer in Bayern nicht besonders stark ausge- 
dehnten Industrie, da dieselbe (1875) nur 336 Betriebe, worunter 6 Gross- 
betriebe, mit 87 Personen, aufweist. Sie war demgemäss auf der Ausstellung 
auch nur schwach vertreten; die Pelzwarenfärberei sogar nur durch eine 
einzige Firma, die allerdings durch die vorgeführten Produkte den Beweis 
lieferte, dass dieser Industriezweig in Bayern auf einer solchen Stufe steht, dass 
er die Konkurrenz anderer auswärtiger Fabrikate nicht zu scheuen hat. 
Konfektionirte Pelzwaren waren zwar in vorzüglicher Ware zur Aus- 
stellung gebracht, doch konnten dieselben kein Bild der Gesamtleistungs- 
fähigkeit unseres Vaterlandes in diesem Industriezweige geben, da derselbe 
leider nur durch zwei Aussteller vertreten war. 
Die Schuhmacherei beschäftigte 49,158 Personen in 30,759 Betrieben. 
In den 128 Grossbetrieben kommen auf je Einen: in der Pfalz 27, in 
Unterfranken 14, in den übrigen Kreisen durchschnittlich. 9 Arbeiter. Die 
Pfälzer Schuhwaren-Industrie ist auf Pirmasens konzentriert, wo 60 %, der 
Bevölkerung damit beschäftigt sind. Den Anstoss hierzu gaben die Soldaten 
der Pirmasenser Garde des Landgrafen von Hessen-Darmstadt Ludwig IX., 
die in ihrer freien Zeit mit Pantoffelmachen sich beschäftigten und einige 
Familien zu dieser Industrie anregten, welche dann ihre Fabrikate hau- 
sierend verkauften. Nach der französischen Revolution wurde diese Industrie 
weiter ausgedehnt und Pirmasenser Schuhwaren wurden in den 50er Jahren 
auf den Messen in Hamburg, Kiel, Lübeck, Berlin und Leipzig feilgeboten 
und selbst bis nach Venedig und Mailand gebracht. Später fing man an 
das Geschäft mehr kaufmännisch zu treiben, es wurden Geschäftsverbind- 
ungen mit Südamerika angeknüpft und durch Einführung von Maschinen 
die Massenproduktion ermöglicht. 1860 wurde diese Industrie die Nahrungs- 
quelle von 2500 Menschen. Die jährliche Produktion entzifferte 1,265,000 
Paar Schuhe im Werte von 1 Million Gulden. 1875 waren daselbst 24 
Nähmaschinen mit Kraftbetrieb in Thätigkeit und von den 212 Nähmaschinen 
mit Handbetrieb, welche 1875 im Schuhmachergewerbe des Landes in Be- 
trieb waren, treffen auf die Pfalz 99. 
Der Aufschwung der Schuhmacherei durch Anwendung von Maschinen 
und Neuerungen in der Befestigung der Sohlen datiert überhaupt erst aus 
diesem Jahrhundert. Bis dahin hatte der Schuhmacher oder Schuster — 
von dem Lateinischen Sutor in Verbindung mit Schuh entstanden — das 
Handwerk in der durch tausende von Jahren gekannten Art und Weise
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.