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in die beiden grossen Parallelreihen der sieben freien und sieben
mechanischen Künste zieht sich dann durch das späte Mittelalter
hindurch bis weit in Dürers Zeit hinein und noch darüber hinaus.
An litterarischen Quellen aus Dürers Zeit nenne ich nur den schon oben
im 2. Kapitel einmal erwähnten „Spiegel des menschlichen
Lebens“ von Rodericus von Zamora, der seit Steinhöwels
deutscher Uebersetzung vom Jahre 1475 fortwährend neue deutsche
und andersprachige Ausgaben erlebte, und die „Margaritha
philosophica“ des Gregor Reisch, deren grosse Ver-
breitung uns ebenfalls bereits bekannt ist.
Dürer konnte also ohne weiteres auf das Verständnis der weites-
ten Kreise rechnen, wenn er eine Darstellung der vereinigten freien
und mechanischen Künste schuf, deren Abzeichen ohnehin jedem ver-
traut waren, denn seit Jahrhunderten hatte die bildende Kunst immer
und immer wieder diese Vorstellungskreise zur Anschauung gebracht.
Darstellungen der Philosophie mit den sieben freien Künsten und
ihren Hauptvertretern wird man vermutlich schon aus dem Denk-
mälerschatze der Antike mit samt dem ganzen Einteilungssysteme
übernommen haben. Jedenfalls sind uns aus der im wesentlichen
die Antike reproduzierenden karolingischen Zeit eine ganze Reihe
Beispiele wenigstens litterarisch erhalten. Sowohl im Palaste Karls
des Grossen zu Aachen, wie in der Kaiserpfalz zu St. Denis waren
die sieben freien Künste mit ihren Vertretern in Wandgemälden
verewigt. Auch von einem solchen Gemälde im Palatium des Klosters
von St. Gallen haben wir Nachricht in einer poetischen Beschreibung
des 9. Jahrhunderts. Eine wohl auch aus der Antike vererbte
Liebhaberei der karolingischen Zeit war es, runde Tischplatten
mit Bildern der Philosophie und der sie umgebenden sieben freien
Künste zu bemalen. Bischof Theodulf von Orleans (7 821)
beschreibt uns ausführlich einen solchen Tisch und aus der Hin-
terlassenschaft Karls des Grossen sind deren mehrere bekannt.
Von dieser Zeit an sind uns dann aus allen Jahrhunderten des
Mittelalters zahlreiche Darstellungen dieses Thema’s erhalten, deren
ikonographische Zusammenstellung eine ganz dankbare Arbeit wäre.!
1 Ausser den oben genannten Aufsätzen von Baumgarten
und J. v. Schlosser sei noch verwiesen auf die Materialsammlung
von Clemen. Zeitschr. d. Aachener Gesch. Vereins XI, 1880.